Stadtentwicklungsbeirat Freilassing im Rathaussaal

Was soll der Stadtentwicklungsbeirat leisten?

Nach Berichterstattung zur Radstreifen-Debatte: Kritik von der FWG – Mitglieder des Gremiums wehren sich

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Johannes Geigenberger, 20.03.2021

Hierzu mein Leserbrief vom 22.03.2021

Sieht aus wie ein Stadtrat, ist es aber nicht – und das soll auch so bleiben, fordert die FWG: der Stadtentwicklungsbeirat. − Foto: Stadt Freilassing

Freilassing. Eine kontroverse Debatte ist eigentlich durchaus erwünscht, wenn sie dazu dient, die Stadt voranzubringen. Und desto mehr mitdiskutieren, umso besser – oder? Seit der Stadtentwicklungsbeirat vor einer Woche über Verbesserungen für die Freilassinger Radler abgestimmt hat, ist darüber selbst eine Debatte entbrannt. So sieht die FWG-Stadtratsfraktion eine Kompetenzüberschreitung und fühlt sich regelrecht vom Rathaus „hintergangen“, wie es FWG-Ortsvorsitzender Walter Hasenknopf gegenüber der Heimatzeitung ausdrückt.

Was war passiert? Nach ersten Gedankenspielen Ende 2020 hatte das neue Bürgergremium erneut über einen möglichen Radschutzstreifen entlang der Freilassinger Nord-Süd-Achse diskutiert. Dazu bekamen die Stadtentwicklungsbeiräte Informationen aus erster Hand von Polizei und Planern. Anschließend fassten sie einen einstimmigen Empfehlungsbeschluss „Pro Radstreifen an der Reichenhaller Straße“ für den Stadtrat. Dort soll am Mittwoch die endgültige Entscheidung zur Vorentwurfsplanung fallen [Ankündigung].

Dass nun der Beirat vorgeprescht ist, findet Hasenknopf regelrecht „anmaßend“: „Das war jetzt schon das zweite Mal, dass hier der Entwicklungsbeirat Informationen vor dem Stadtrat bekommen hat“, so der FWG-Vorsitzende, der an die Ergebnisse der Sozialraumanalyse erinnerte. Diese wurden auch zuerst dem Stadtentwicklungsbeirat vorgestellt und erst danach dem Stadtrat.

Jetzt in diesem Fall sei das Problem aber noch evidenter, weil auf der Basis der Informationen nun eine ganz konkrete Entscheidung getroffen werden soll. „Es wirkt so, als wolle man uns unter Zugzwang setzen, noch bevor wir alle Infos haben“, ärgert sich Hasenknopf. „Wir Stadträte müssen uns aber bei unserer Entscheidung an anderen Parametern orientieren als der Stadtentwicklungsbeirat – zum Beispiel, was etwa die Grundstücksverhältnisse entlang der geplanten Route angeht“, ging Hasenknopf auf den vorliegenden Fall ein. Aber auch Fragen der Finanzierbarkeit könne nur der Stadtrat beantworten.“Wenn nun also ein Gremium uns vorgreift, dann ist das ein Eingriff in unsere Hoheitsaufgaben“, wettert Hasenknopf.

Das wolle man allerdings gar nicht, beteuern drei der „Radstreifen-Befürworter“ in einem Leserbrief (siehe unten). Ohne Hasenknopfs Kritik gekannt zu haben, schrieben Mathias Thielke, Rudolf Kreuzeder und Wolfgang Fieweger – jene Beiräte, die sich besonders mit dem Thema auseinandergesetzt hatten – am Freitagvormittag an die Redaktion: „Uns ist es sehr wichtig, dass hier klar zum Ausdruck kommt, dass es nicht im Sinne des Stadtrats sein kann, ein Abwägen von Entscheidungen „Für“ oder „Wider“ auf den Stadtentwicklungsbeirat auszulagern. Die politische Entscheidungsverantwortung obliegt ganz klar den gewählten Stadträten.“

Gleichzeitig erinnern die drei Stadtentwicklungsbeiräte aber auch daran, dass ihre Empfehlungs-Entscheidung auf einer breiten Basis stand: Schließlich stimmten alle Mitglieder des Gremiums – und dazu gehören schließlich auch je ein Stadtrat aller Fraktionen – einstimmig dafür.


Besser keine Stadtratsthemen behandeln?


Im Nachgang ist mit seiner Abstimmungsentscheidung allerdings nicht mehr jeder Stadtentwicklungsbeirat glücklich: So äußert sich auch Gerhard Auer inzwischen gegenüber der Heimatzeitung kritisch darüber, wie die Sitzung gelaufen ist. „Denn wenn es so aussieht, als wären wir Handlanger des Rathauses, ist es sogar kontraproduktiv für die Sache“, zeigte er sich überzeugt. Deshalb hat er auch bereits einen Vorschlag, wie man das Gremium von diesem Verdacht befreien könnte: „Wir sollten unsere Arbeit von der des Stadtrats entkoppeln.“ Also idealerweise nur Themen behandeln und Empfehlungen aussprechen für Angelegenheiten, die nicht gleichzeitig auch auf der Stadtrats-Tagesordnung stehen.

Einen solchen „weniger politischen“ Stadtentwicklungsbeirat würde sich im übrigen auch die FWG wünschen. „So, wie‘s damals halt auch in der ISEK-Lenkungsgruppe war“, erinnert Hasenknopf. In einer solchen Funktion könne das Gremium durchaus Impulse setzen, zeigte er sich überzeugt. Und wie wird die FWG nun mit dem „Impuls“ zum „Radstreifen“ umgehen? „Wir werden dagegen stimmen“, kündigte Hasenknopf schon einmal an. „Denn das gibt die Breite der Straße nicht her. Und die Parkplätze, die da wegfallen würden, wären der Tod für die Innenstadt.“