20 Jahre war er auf der großen Polit-Bühne
Früherer Staatsminister Gerold Tandler ist 85
Alt-Neuöttinger Anzeiger, Stephan Hölzlwimmer, 12.08.2021
Beitragsbild: 34 Jahre alt war Gerold Tandler, als er im Jahr 1970 erstmals den Sprung in den Landtag schaffte. − Foto: Archiv / Reichelt
Siehe hierzu auch mein Leserbrief
Er ist „ein ehemaliger deutscher Politiker der CSU“: So schlicht lautet der erste Satz, der über Gerold Tandler auf Wikipedia nachzulesen ist. Den Blick in die Internetenzyklopädie braucht es eigentlich nicht, um genauer zu wissen, um wen es da geht, jedenfalls nicht für politisch Interessierte, zählte Tandler doch rund zwei Jahrzehnte lang zu den mächtigsten Männern im Freistaat. CSU-Generalsekretär, Fraktionschef im Landtag, mehrfach gehörte er dem Kabinett an – und auch von Zwick-Affäre wurde er gestreift. Und doch kann gerade für die Jungen ein Blick ins Internet nicht schaden, denn die Zeiten, in denen der „Baumeister der CSU“, wie er früher oft bezeichnet wurde, auf der großen Bühne agierte, sind längst vorbei. 1991 stieg er aus der Politik aus. Das war vor 30 Jahren – nun, am 12. August, hat er seinen 85. Geburtstag.
Dass Tandler ausgerechnet in Bayern eine gewichtige Rolle spielte, ist mehr oder weniger Zufall. Denn in den Freistaat kam er, geboren am 12. August 1936 in Reichenberg und aufgewachsen in Haindorf in der damaligen Tschechoslowakei, in den Nachkriegswirren. Der Vater Tandlers überlebte den Einsatz an der Ostfront, entkam aus der Lagerhaft und schlug sich nach Kastl durch, weil dort ein Cousin lebte. Die Familie, die inzwischen in die Mark Brandenburg geflohen war, holte er nach, sie landete schließlich in Neuötting, wo der Vater eine Anstellung als Volksschullehrer gefunden hatte.
Gerold Tandler absolvierte erst eine Lehre zum Dentisten, dann eine zum Bankkaufmann. Letztlich aber wurde die Politik sein Beruf. Die Weichen dafür stellte er früh, indem er die Junge Union im Landkreis gründete und dann sowohl in den Neuöttinger Stadtrat als auch in den Kreisrat gewählt wurde. Nach einer erfolglosen Kandidatur für den Bundestag schaffte er 1970 den Einzug in den Landtag. Schon Mitte 1971 brachte er es zum Generalsekretär. Damit war Tandler in der Schaltzentrale der CSU-dominierten Landespolitik angekommen – und blieb dort 20 Jahre lang, nicht zuletzt, weil er einen Mentor hatte, der einflussreicher nicht hätte sein können: Franz Josef Strauß. Im Sog von Strauß, der sogar zum Trauzeugen wurde, als Gerold Tandler Gabriele Hiermeier heiratete, und später zum Taufpaten seines ältesten Sohnes, brachte es Tandler bis zum Minister. Als solcher war er von 1978 bis 1982 für das Innenressort zuständig. Nach seiner Zeit als Fraktionschef und erneut als Generalsekretär übernahm er 1988 den Posten des Ministers für Wirtschaft und Verkehr, um dann unter Strauß’ Nachfolger Max Streibl Finanzminister zu werden.
Die Laufbahn fand wenig später ein Ende: In Folge seiner Nähe zum niederbayerischen Bäderkönig und Steuerschuldner Eduard Zwick, die er nie geleugnet hat, zog sich Tandler aus der Politik zurück. 1990 gab er den Ministerposten auf, 1991 auch sein Landtagsmandat, um fortan als Vorstandsmitglied der Linde AG in der Industrie tätig zu sein und später, im Ruhestand, seine Rolle als Halter des Hotels „Zur Post“, das Familie Tandler bis 2019 gehörte, zu finden.
In Würdigung seiner Verdienste wurde Gerold Tandler unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Und auch, wenn sich sein Wirken vor allem auf Landesebene abspielte, setzte er sich doch auch für seine Heimat ein. Zwei bedeutende Projekte, die über Parteigrenzen hinweg mit SPD-Landrat Seban Dönhuber durchgefochten wurden, sind der Bau des Krankenhauses und die Verstaatlichung des kommunalen Gymnasiums (KKG).
Auch wenn Tandler an sich aus Neuötting kommt – Ehrenbürger ist er von Altötting. Diese Auszeichnung wurde dem sechsfachen Familienvater, der heute öffentlich kaum mehr in Erscheinung tritt, im Dezember 2008 zuerkannt, nachdem er bereits 22 Jahre davor mit dem Goldenen Ehrenring bedacht worden war. Als ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen wurde, würdigte der damalige Bürgermeister Herbert Hofauer, dass Tandler auch in seiner Münchner Zeit nie die Bodenhaftung und den Kontakt zur Heimat verloren und immer versucht habe, das Bestmögliche für sie zu erreichen, „als Ratgeber, als Motor und oftmals auch als geschätzter Nothelfer“.