Shem Lumumba bei Lebensmittel-Verteilung

Das „stille Leiden“ lindern

Der Saaldorfer Fußballtrainer Tom Mooser flog diese Woche nach Kenia – Er will die bisherige Unterstützung ausbauen

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Hans-Joachim Bittner, 14.08.2021

Beitragsbild: Shem Lumumba, Gründer und Chef der Good Hope-Fußball-Akademie in Mombasa, bei einer Lebensmittel-Übergabe. − Foto: Good Hope Soccer Academy

Saaldorf/Ainring/Freilassing. „In Ost-Afrika gibt es ein stilles Leiden“, sagt Bernard Payet aus Salzburg. Weit abseits des Interesses der großen Medien und TV-Sender, weil Kenia aus europäischer Sicht als „gut situiertes“ und „sicheres“ Land eingestuft wird. „Um die Menschen dort wollen wir uns kümmern“, sagt der Mental-Coach, der seit vielen Jahren eng mit Fußball-Trainer Thomas Mooser zusammenarbeitet. Ein erster Kontakt von Mannschaftsbetreuer Klaus Heigl, der im Dezember 2019 erstmals nach Mombasa reiste, brachte eine wunderbare Verbindung zustande: Zwischen dem Integrationsteam BGL International Freilassing und der Good Hope-Fußball-Akademie, dessen Leiter Shem Lumumba kurz zuvor einen öffentlichen Hilferuf gestartet hatte. Der frühere Kicker gründete – aufgrund einer Verletzung – bereits mit 16 Jahren die so lebensbejahende Einrichtung und begann die Arbeit mit den Kindern, obwohl sich seine eigene Lebenssituation bis heute extrem schwierig gestaltet.

Ein 2020 – nach dem Besuch Heigls – in Freilassing eingerichtetes Spendenkonto, in erster Linie um Lebensmittel für die notleidenden Familien der Fußballer anzuschaffen und zu verteilen, brachte bislang rund 15.000 Euro zusammen. Jeder Cent wurde in bis heute 65 Lebensmittel-Übergaben investiert – weit über tausend Pakete mit Mais- und Weizenmehl, Speiseöl und Zucker befüllt. Die Unterstützung soll jetzt erheblich ausgeweitet werden.


Viele Jugendliche driften ab


„Bislang sammelten wir ausschließlich Geld für Lebensmittel. Weil es hier ,ganz einfach‘ ums nackte Überleben geht“, informiert Tom Mooser. „Wir haben uns jetzt gesagt, dass das nicht alles sein kann, nicht das Ende. Wir wollen die Strukturen vor Ort verbessern.“ Deshalb startete der Saaldorfer diese Woche mit einer sechsköpfigen Crew nach Kenia, zu einer Art Erkundungstour, um sich intensiv mit der Situation der Menschen vor Ort auseinanderzusetzen: „Wir wollen uns dort alles genau anschauen, um herauszufinden, wo und wie wir künftig ganz gezielt helfen können. Und um die Lebensbedingungen der Fußballer und ihrer Familien, die meist perspektivlos sind, sowie die sportlichen Gegebenheiten innerhalb der Good Hope-Akademie zu verbessern.“ Nachhaltigkeit steht dabei absolut im Fokus.

Marcel Götzinger aus Ainring spendete ein Trikot. − Foto: Thomas Mooser

Die Intention der Reise ist es nicht, die Spieler hierher zu holen, damit sie in Europa Karriere machen und ihre Heimat vergessen. Mitnichten: „Wir wollen sie unterstützen, ausbilden, möglicherweise über ein Arbeitsvisum bei uns, ihnen Perspektiven aufzeigen. Damit sie diese Erfahrungen schließlich mitnehmen, in ihre Stadt, ihr Dorf, um dort etwas Positives zu bewirken“, wünscht sich Mooser. Um das Vertrauen der Spender und Unterstützer zu stärken, hat er für diese Arbeit extra einen Verein – „Universal Lighthouse e.V.“ – mit sieben Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen. Einfach, um die Bürokratie, das Finanzielle und Formelle von seinem Fußball-Team BGL-International Freilassing, welches bislang sozusagen als Pate für die Unterstützung der Good Hope-Akademie stand, zu trennen. „Weil es zwei unterschiedliche Projekte sind“, erklärt der Fußball-Coach weiter. „Das eine kann bestenfalls ohne das andere existieren. Der neue Verein, der eine Crowdfunding-Seite inklusive Finanzierungsplan erhalten soll, ist nicht dazu gedacht, viele Mitglieder inklusive Versammlungen zu generieren, sondern Unterstützer.“

Fußball-Trainer und Reise-Initiator Tom Mooser (rechts) mit Mental-Coach Bernard Payet vor all den Utensilien, die mit auf den Trip nach Mombasa gingen. − Foto: Hans-Joachim Bittner

Nach der Reise Ende August wird klarer sein, in welchen Bereichen der größte Bedarf besteht und was am Nötigsten benötigt wird. Der zweiwöchige Aufenthalt der sechsköpfigen Gruppe in Mombasa wird filmisch dokumentiert, um die ungeschönte Wirklichkeit zu zeigen. Das finale Werk soll hier verbreitet werden, um Spender für das Projekt zu finden und anzusprechen. Für die entsprechende Qualität des Films wird Fotograf Patrick Weichmann sorgen, für die bewegten Bilder wurde er von Mooser-Nachbar Andreas Maier mit einer entsprechenden Kamera ausgestattet. Mit im Kenia-Boot befinden sich außerdem Mental-Coach Bernard Payet mit seinen erwachsenen Kindern Rafael und Sofia – die Schauspielerin recherchierte viel im Vorfeld und wird vor Ort Interviews führen und die Atmosphäre der Community einfangen. Rafael Payet ist technisch begabt und für die Pflege der sozialen Medien und der Website verantwortlich. Julia Hendlmaier, ebenfalls „Lighthouse“-Gründungsmitglied, komplettiert die Gruppe. Die gebürtige Bad Griesbacherin spendet Rückzahlungen aus der Kappung des Mietendeckels in Berlin für das Projekt.


Film soll ungeschönte Wirklichkeit zeigen


„Mit Hilfe des Films können wir die Lage vor Ort dokumentieren und den Unterstützungsprozess ankurbeln“, sagt Tom Mooser. Die Menschen seien durch die Anwesenheit der Besucher aus dem wohlhabenden Europa natürlich mit einer hohen Erwartungshaltung ausgestattet. „Deshalb wollen wir nicht nur nach der Reise, sondern bereits unmittelbar helfen, wo wir können.“

In Mombasa will Mooser mit seinem Team „die richtigen Personen“ finden, um diesen zu ermöglichen, eine Basis auf „zwei gesunden Beinen“ zu finden, sei es beruflich oder als Fußballer.

Gerade die jungen Erwachsenen, die Schulabgänger, befinden sich meist in einer prekären Situation: In der Schule waren sie noch behütet, hatten ihre Aufgabe, bekamen eine warme Mahlzeit am Tag, waren aufgehoben. Ist das vorbei, möchten sie ihrer Familie, die sie stets unterstützte, etwas zurückgeben. Sie wollen jetzt etwas leisten, finden aber meist keine Arbeit. „Nun sitzen sie daheim rum, die Eltern sind genervt. Viele Jugendliche driften dadurch ab, schließen sich irgendwelchen Gangs an, geraten nicht selten in kriminelle Kreise“, berichtet Tom Mooser. „Jetzt kommen wir ins Spiel. Wir wollen eine Zeit lang vor Ort sein, um ein Netzwerk aufzubauen.“ Kommen genügend Spenden zusammen, soll beispielsweise ein Kindergarten gebaut werden. „Weil wir die Kleinkinder – gerade in der entscheidenden Entwicklungsphase – früher ,abholen‘ und somit stärken wollen.“

Selbstverständlich kamen Mooser & Co. diese Woche nicht mit leeren Händen: Jeder der sechs Reisenden brachte neben einem Koffer mit persönlichen Dingen ein Gepäckstück mit „Geschenken“ für die Fußball-Akademie mit: Bälle, Fußball-Noppen-Schuhe, Trikots und T-Shirts, Schienbeinschoner, Trainingsutensilien und vieles mehr – 100 Kilo Material zusammen. Gesammelt und erhalten von großartigen Spendern: Allen voran Rosemarie Pscheidl, die das Projekt sowohl privat, als auch mit dem Weltladen Mitterfelden mit großem Engagement unterstützt. 100 bunte Fairtrade-Bälle sind versprochen, 30 fanden bereits jetzt den Weg in die Koffer. Darüber hinaus überreichte Pscheidl eine 2000-Euro-Spende und hunderte medizinische Masken. Hochwertige Fußballschuhe von Golf-Experte Georg Schreiner aus Surheim kamen dazu. Unzählige private Spender unterstützen das Projekt mit kleinen und großen Beträgen oder Sachspenden. Als leuchtendes Beispiel sei der zehnjährige Nachwuchskicker Marcel Götzinger aus Ainring genannt, der extra einen Brief für Christian, einem Good Hope-Spieler, verfasste und ihm Fußballschuhe sowie einige seiner Lieblingsstücke dazulegte.


Ende August wollen sie zurück sein


Der Flug wurde kurz vorher gecancelt, nach vier Stunden am Telefon gelang es Tom Mooser, einen neuen zu organisieren, einen Tag später. In Wien ging‘s los. Von Nairobi, Kenias Hauptstadt, musste die Gruppe jedoch mit dem Bus – sieben Stunden durchs Land – nach Mombasa fahren. Am 26. August wollen sie zurück in der Heimat sein. Die deutsch-österreichische Gruppe wird in einer „Villa“ wohnen, gut be- und geschützt, keine fünf Kilometer von der Fußball-Akademie entfernt. „Wir machen uns aber keinen Kopf, dass es gefährlich ist. Wir bewegen uns tagsüber zusammen, haben einen eigenen Fahrer und Einheimische dabei, die sich mit den Gegebenheiten auskennen“, informiert Bernard Payet. Es geht primär darum, das „stille Leiden“ zu lindern.