Foto von Christian Felber, Fotograf: José Luis Roca

30 Gründe, warum ich mich derzeit nicht impfen lasse oder Betrachtungen zu Gesundheit, Grundrechten, Solidarität und Gemeinwohl

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11. November 2021 um 9:10 Ein Artikel von Christian Felber | Verantwortlicher: Redaktion

Beitragsbild: Christian Felber auf einem Foto von José Luis Roca

[Antwort von Matthias Dusini, Falter.maily vom 12.11.2021]

Die Stimmungsmache gegen Ungeimpfte nimmt von Tag zu Tag an Fahrt auf. Die Motive, warum sich viele Menschen nicht impfen lassen wollen, werden dabei entweder nicht wahrgenommen oder gar ins Lächerliche gezogen. Am Ende steht gar der Vorwurf, wer sich nicht impfen lassen will, handele aus niederen Beweggründen und verhalte sich unsolidarisch, ja egoistisch. Der österreichische Gemeinwohl-Ökonom und Autor Christian Felber hat sich die Mühe gemacht, auf diese Zuschreibungen mit einem sehr faktenorientierten, aber auch sehr persönlichen Artikel für die NachDenkSeiten zu reagieren, „um Vielfalt sichtbar zu machen und für gegenseitigen Respekt zu werben“.

30 Gründe, warum ich mich derzeit nicht impfen lasse oder Betrachtungen zu Gesundheit, Grundrechten, Solidarität und Gemeinwohl

Vorweg: Ich bin mehrfach geimpft und habe ein neutrales Verhältnis zu Impfungen. Ich respektiere die Entscheidung jedes Menschen, sich impfen zu lassen, versuche niemanden davon zu überzeugen, sich nicht impfen zu lassen und trage auch solidarisch und gerne die dafür anfallenden Kosten mit (mit einigen Einschränkungen, siehe Gründe 20 und 26). Ich lege hier meine persönlichen Gründe dar, weil:

a. ich zeigen möchte, dass Menschen wohlüberlegt aus guten und sehr unterschiedlichen Gründen von einer Impfung Abstand nehmen; und dass es sich nicht um prinzipielle Impfgegner*innen handeln muss;

b. ich nicht abgewertet werden möchte, wenn ich eine andere Meinung oder ein anderes Gesundheitsverständnis als die Regierung habe;

c. ich keine Nachteile erleiden möchte, wenn ich mich anders entscheide;

d. ich zeigen möchte, dass eine solche Diskriminierung nicht gerechtfertigt ist;

e. ich den fortschreitenden Impfzwang aufhalten und umkehren möchte.

Meine Vision ist das friedliche Miteinander von Menschen mit und ohne Impfung sowie die freie persönliche Entscheidung auf Basis sachlicher und ausgewogener Information ohne Nachteile für oder Druckausübung auf eine der beiden Gruppen. Eine Demokratie muss es aushalten, dass Menschen zu privaten und persönlichen Themen unterschiedlicher Meinung sind, dass sie unterschiedliche Gesundheitsverständnisse haben und entsprechend unterschiedliche Entscheidungen treffen. Und sie muss im Zweifels- und Dissensfall die Grundrechte schützen. Dazu zählen die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Grundgesetz Art. 2 (2)), der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 (1)) sowie des weltanschaulichen Bekenntnisses, wozu auch das Gesundheitsverständnis gezählt werden kann (Art. 4 (1)). Über diesen Grundrechten bildet das Prinzip der Menschenwürde (Art. 1 (1)) eine einende Klammer und einen schützenden Schirm.

Hier nun meine Gründe:

  1. Das Prinzip der Gesundheitskompetenz gesteht jedem Menschen zu, zu wissen, was für sie oder ihn richtig ist. Es gibt verschiedene Gesundheitsverständnisse, und die letzte Instanz darüber, was für die eigene Gesundheit das Beste ist, ist jede Person selbst. Neben evidenzbasierter Information zählt auch die Intuition zu dieser basalen Form der Selbstbestimmung. Ich spüre, dass mein Körper mir derzeit kein grünes Licht gibt für eine Corona-Impfung. Das ist meine ganz persönliche Entscheidung, wie ich mich für eine Beziehung, einen Lebensort, einen Beruf oder eine sexuelle Orientierung entscheide. Solche persönlichen Entscheidungen sind mit der Menschenwürde begründet und grundrechtlich geschützt. In dieser Haltung werde ich von zahllosen und prominenten Wissenschaftlerinnen bestärkt (Kanadische Wissenschaftler*innen, 2. 8. 2021 [Anm. 13.09.2022: nicht mehr erreichbar, stattdessen hier als PDF: https://cs.uwaterloo.ca/~mannr/A%20Letter%20to%20the%20Unvaccinated%20_%20OCLA.pdf – JT]) (12 Schritte aus der Corona-Krise, 15. Oktober 2021).
  2. Persönlich habe ich großen Respekt, aber keine Angst vor dem Virus, ich zähle mich mit 48 Jahren nicht zu einer Risikogruppe, … (zum Artikel)

Hierzu auch mein Leserbrief vom August 2021 mit darin enthaltenen Verlinkungen