I. Raphaela Toledo bei einer Ausstellung 1996

Meine kleine Stadt – Ausstellung in Freilassing

Ein Blick zurück mit Liebe

Gemäldeausstellung und Filmvorführung am 1. Dezember in der Freilassinger Stadtgalerie zu Ehren von Malerin Irma Raphaela Toledo

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 23.11.2023

Eine Ausstellung in der Stadtgalerie ist der gebürtigen Laufener Malerin Irma Raphaela Toledo (1910 – 2002) gewidmet. − Beitragsbild: Stadtarchiv Salzburg, Fotosammlung

Von Julian Traublinger

Freilassing. „Es gibt nur wenige Menschen, die nach so viel Leid und so viel Verfolgung nicht Hass entwickelt haben, sondern aus diesem Hass heraus, aus diesem Leid heraus, eine Liebe zum Menschen entwickelt haben“, sagte der Schauspieler Karlheinz Böhm einmal über die Malerin Irma Raphaela Toledo. Eine neue Ausstellung, die der 2002 verstorbenen Malerin gewidmet ist, ist ab 1. Dezember in der Stadtgalerie am Hermann-Ober-Platz zu sehen – mit Gemälden und einem Dokumentarfilm über Toledos Leben. Die Vernissage beginnt um 18 Uhr mit musikalischer Beteiligung von Familienmitgliedern der Malerin.

Toledo, wie sie mit ihrem Künstlernamen hieß, wurde 1910 als Irma Friedmann in eine jüdische Kaufmannsfamilie in Laufen geboren. Sie verlor die meisten ihrer Angehörigen in der Zeit des Nazi-Regimes. Ihre Ehe mit Franz Schmeisser, der von den Nazis gar als „Vorzeigebeispiel des blonden, blauäugigen Ariers“ gehandelt wurde, und ein gemeinsames Versteck in den Tennengauer Bergen machten es möglich, dass Toledo mit ihren beiden Kindern, Lis und Hannes, der Verfolgung letztendlich entging. Franz musste an die Front, kehrte aber auch wieder heim. In Freilassing hatten die Schmeissers ab März 1933 ihren eigenen, vom Vater Friedmann eingerichteten Laden. Sie hatten es schwer, die Auslagen wurden beschädigt, der Anführer der örtlichen Hitlerjugend wohnte im selben Haus, ein Uniformierter verscheuchte die potentiellen Kunden vor der Tür. Drei Jahre hielt es die Familie aus, 1936 ging sie in die österreichische Nachbarschaft. Als auch dort die Nazis regierten, wurde es immer gefährlicher, bis hin zur geplanten Deportation von Irma Schmeisser in ein KZ. Das klappte glücklicherweise nicht. Aber ab Herbst 1944 wohnten die Schmeissers auf dem Schlenken in ihrem Ferienhaus nahe der Stadt Salzburg bei den Bauern. Noch zu Kriegszeiten begann Toledo, unter dem Eindruck der umgebenden Natur mit einfachen Mitteln zu malen. Bald kehrte sich die Malerei von einer Bewältigungsstrategie zum Beruf, oder eher: zur Berufung.

Ab Anfang der fünfziger Jahre etablierte sie sich als Künstlerin. Es folgten eine Vielzahl von Ausstellungen über die Jahrzehnte ihres Schaffens. Toledo entwickelte sich weiter, von der Natur als Vorlage zum Abstrakten, vom Aquarell zur Ölmalerei und zurück. Das Malen war für sie Lebenssinn. Sie sollte wohl durch das Malen noch etwas in sich entdecken und sozusagen auf eine höhere Ebene kommen und deshalb dem Naziterror entkommen, meinte sie selbst einmal dazu. In der Nachkriegszeit probierten sich viele Künstler aus und genossen die neu gewonnene Freiheit. Toledo gehörte dem Künstlerkollektiv „Salzburger Gruppe“ an.

Als ihr Hauptwerk bezeichnete die Malerin den Zyklus „Genesis“. Dafür hatte sie zehn abstrakte Gemälde ausgesucht, in denen die Schöpfungsgeschichte dargestellt wird. Diesen ordnete sie jeweils ein Zitat der Bibelübersetzung von Martin Buber zu. Toledo beschäftigte sich später auch viel mit Philosophie und Religion. Aufgewachsen nach jüdischer Tradition, wandte sie sich immer mehr dem Christentum zu und ließ sich schließlich in Salzburg katholisch taufen. In der Ausstellung im Alten Feuerwehrhaus in Freilassing gibt es Originalgemälde aus allen Schaffensphasen der Malerin zu sehen.

Drucke der „Genesis“ vermitteln einen Schimmer der großformatigen Bilder des Genesis-Zyklus. Die originalen Ölbilder befinden sich heute auf Schloss Puchberg in der Nähe von Linz. Im dortigen Bildungshaus der Diözese Linz arbeitete Toledo jahrelang als Kursleiterin. Ihr wurde vom österreichischen Staat der Professoren-Titel verliehen. Über das Leben der Malerin erfährt der interessierte Besucher etwas durch den Film „Toledo, die drei Leben der Irma F.“, der in den Ausstellungsräumen gezeigt wird. Toledo vermachte die meisten ihrer Werke Böhms Organisation „Menschen für Menschen“ (MfM), die sich in der Entwicklungszusammenarbeit in Äthiopien engagiert.

Der Blick zurück auf ihre Geburtsstadt Laufen war wohl einer mit Liebe. Jahrzehnte, nachdem sie nicht mehr dort lebte, malte Toledo aus der Erinnerung heraus das Bild „Meine kleine Stadt“ mit einer Ansicht Laufens und dem Blick auf den Marienplatz und die Länderbrücke. Es hängt noch heute im Büro des Laufener Bürgermeisters. Das Werk wird dank des Engagements der beiden Rathauschefs von Laufen und Freilassing, Hans Feil und Markus Hiebl, voraussichtlich ebenfalls als Leihgabe zu sehen sein. „Meine kleine Stadt“ ist auch das Motto für die Vernissage (1. Dezember, 18 Uhr).

ÖFFNUNGSZEITEN

Im Anschluss an die Vernissage ist die Ausstellung an folgenden Tagen jeweils von 14 bis 18 Uhr geöffnet: 2. und 3. Dezember, 8. bis 10. Dezember, 15. bis 17. Dezember und am 22. Dezember, jeweils von 14-18 Uhr. Der Eintritt ist frei.