Kriegserklärung an die Migranten

Leserbrief zur PNP vom Sa., 04.02.17, Seite 2, „Der Zehn-Punkte-Plan“:

Der Zehn-Punkte-Plan der EU gegen Boat People im Mittelmeer erscheint als alter Wein in neuen Schläuchen. Als Geografie-Student hatte ich mich vor rund zehn Jahren mit den Bootsflüchtlingen bzw. -migranten beschäftigt. Was jetzt aus dem Hut gezaubert wurde, war prinzipiell damals schon Alltag. 1992 wurden die ersten Bootsmigranten aus Afrika in Lampedusa an Land gebracht. 2005 gab es die ersten Erstürmungen der Grenzbefestigungen um die spanischen Exklaven in Afrika, Ceuta und Melilla. Die Zusammenarbeit mit Libyen unter Gaddafi lief bereits, ab 2008 sollte das Land Partner der EU-Grenzschutzagentur werden. Italien lieferte ab 2003 Ausstattung zur Grenzsicherung, Bettzeug und Leichensäcke. Wenn Transitflüchtlinge in Libyen Christen und schwarz waren, waren sie doppelt diskriminiert. Einige wurden ausgeraubt und ermordet, manche inhaftiert und im Polizeigewahrsam misshandelt und auch getötet. Andere landeten in Gefängnissen, offiziellen und geheimen, diese bestanden manchmal nur aus Löchern in der Erde. Die EU schaute zu. Aber sie baute die Grenzschutzagentur Frontex auf. Militärische und polizeiliche Einheiten führten immer wieder Kampagnen gegen die Migranten im Mittelmeer und auf dem Atlantik durch, mit Luft- und Wasserfahrzeugen. Exekutivkräfte von EU-Ländern und Frontex brachten Migrantenboote zum Abdrehen auf hoher See und hinderten sie am Ablegen. Dies läuft dem refoulment-Verbot der Genfer Konvention zuwider, laut dem niemand über die Grenze eines Staates zurückgewiesen werden darf, sofern ihm/ihr Einschränkungen von Leben oder Freiheit drohen. Nach internationalem Recht muss jeder Flüchtling, der auf dem Mittelmeer aufgegriffen wird, in den nächsten sicheren europäischen Hafen gebracht werden. Dort ist ihm die Möglichkeit zu gewähren, Asyl zu beantragen. Das war vor dem Krieg in Libyen. Zur Lösung des Problems will man jetzt noch ein paar Schippen drauflegen. Mir kommt es vor wie eine Kriegserklärung an die Migranten unter dem Deckmäntelchen des Schutzes der eigenen Bevölkerung und einer humanen Behandlung von Migranten und Flüchtlingen. Beides besteht nur auf dem Papier.