Peinlicher Irrwitz

Seenotrettung – EU findet keine Lösung in der PNP vom 8. Juli 2020

„Der Artikel erweckt bei mir den Eindruck, dass die Flüchtlinge vor allem eine Belastung für EU-Staaten darstellen. Es scheint peinlich zu sein, dass sie vor unserer Haustür verrecken und nicht irgendwo weit weg. Deshalb werden wie gewohnt Lippenbekenntnisse in Form markiger Sprüche zum Besten gegeben. Es verwundert mich, dass ausgerechnet der Bundesinnenminister sein Herz für die Bootsmigranten entdeckt (Artikel auf der Titelseite vom selben Tag, ,Seehofer: EU-Umgang mit Bootsmigranten ,nicht würdig‘). Hat er sich bisher für einen würdigen Umgang eingesetzt?

Die EU-Politiker müssen leider aktuell von den Seenotrettern dazu aufgefordert werden, ,geltendes Recht‘ einzuhalten, insbesondere Grundprinzipien des Seerechts und die Nichtzurückweisung aus dem Flüchtlingsrecht. In der Praxis sieht es so aus, dass sich die EU- bzw. Mittelmeerstaaten völlig aus der Seenotrettung zurückgezogen haben. Eine Handvoll ziviler karitativer Organisationen mit ein paar Schiffen kreuzt in der SAR-Zone nahe der Seegrenze von Libyen, unterstützt von Suchflugzeugen. Kürzlich konnten sie berichten, wie sie wieder ,dem Tod bei der Arbeit zusehen mussten’. Die Flugzeuge dokumentieren Seenotsituationen, nicht immer kann geholfen werden. Staatliche Stellen wie die italienische und die maltesische Küstenwache haben offenbar öfter einfach keinen Bock zu helfen. Eine gängige Herangehensweise ist auch das Zurückschleppen der Flüchtlinge durch die libysche Küstenwache, zurück in die Folterlager. Letztere scheinen Tradition zu haben und bestanden Berichten zufolge schon vor über zehn Jahren unter Gaddafi.

Nachdem der Schwerpunkt deutlich stärker auf Flüchtlingsbekämpfung als auf Solidarität liegt, kann ich mir keinen guten Willen bei den führenden EU-Politikern vorstellen. Die Aussage ,Bis es eine Dauerlösung gebe, seien zwölf Länder ‘prinzipiell’ bereit, unverhältnismäßig belasteten Ländern zu helfen – ‘wenn klar ist, es gibt eine Dauerlösung’, ist entlarvend für den peinlichen Irrwitz, der sich offenbar in ihren Köpfen abspielt.“