Förster Ertl demonstriert Material aus Eschenstümpfen

„Nackte Bäume“: Das steckt dahinter

Revierförster zeigt „gefährliche Stämme“ in der Au: Von dornigen Robinien bis zu sterbenden Eschen
Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Julian Traublinger, 10.04.2021

Beitragsbild: Förster Otto Ertl demonstriert das Holzmehl aus den übrig gebliebenen Eschenstümpfen. – Fotos: Julian Traublinger

Freilassing. Das endlich wieder schönere Wetter an diesem Wochenende lädt förmlich zu Spaziergängen in der Saalachau ein. Wer dabei genau hinschaut, der bemerkt vielleicht den ein oder anderen entrindeten, um nicht zu sagen „nackten“ Baum. Was steckt dahinter? Fachmann Otto Ertl, der Förster des Forstrevier Teisendorf, zu dem auch die Freilassinger Au gehört, hat die Bäume jedenfalls genau im „Blick“: Schließlich ist deren Pflege Teil der Wegesicherungspflicht auf dem Waldstück im Eigentum der Stadt Freilassing, für die er hier vertraglich tätig ist.

Abgestorbene Bäume, deren Äste auf Spaziergänger stürzen könnten, markiert Revierförster Ertl und sie werden später zur Sicherheit gefällt. Andernfalls müsste die Stadt damit rechnen, bei einem Unfall von der entsprechenden Versicherung in Regress genommen zu werden. Doch was ist nun mit den verunstalteten Baumstämmen? „Eindeutig Eschentriebsterben“, urteilt Ertl und deutet auf die Gänge des sogenannten Eschenprachtkäfers, der sich unter der Rinde breit machte. Vermutlich hatte ein Specht die Rinde weg gehackt, um an fette Beute in Form von Käfern zu kommen.


Kranke Bäume „eine reale Gefahr“


Markiert: eine tote Esche.

Als Ursache der Krankheit gilt jedoch ein Pilz, das Falsche Weiße Stengelbecherchen. Er befällt seit 2008 in Bayern fast alle Eschen und bringt sie zum Absterben von den Trieben bis zur Wurzel. Die Bäume bilden „stehendes Totholz“ (siehe „Mehr zum Thema“) und können dann jederzeit umkippen – schon bei einem leichten Windstoß. Am Wegrand müssen sie beobachtet und gegebenenfalls gefällt werden. Zahlreiche tote und umgestürzte Eschen sind in der Saalachau zu sehen, eine „reale Gefahr“ so Ertl. „Sehen Sie die Höhle dort oben? Mir blutet das Herz, weil die Eschen alle umstürzen“, sagt der Förster und deutet auf ein Vogelnest hoch oben in einer abgestorbenen Esche.


Mehr zum Thema: Warum ist Totholz wichtig?

Totholz, ob stehend oder liegend, ist eine Behausung für millionenfache Mikroorganismen, die wiederum als Nahrung dienen. Damit bildet es einen wichtigen Teil des Ökosystems Wald.

Im Rahmen des Vertragsnaturschutz Wald wird stehendes Totholz, also abgestorbene, aber noch aufrecht stehende Bäume, vom bayerischen Staat finanziell gefördert. Für bis zu fünf Bäume pro Hektar gibt es jeweils 175 Euro Zuschuss unter der Bedingung, dass sie zumindest zwölf Jahre lang nicht gefällt werden.


Durchlöchert: Spuren des Eschenprachtkäfers.

Erich Prechtl vom Bund Naturschutz hat bereits schlimmste Befürchtungen: Er meint, es würden in der Au nicht mehr viele Bäume übrig bleiben, da die Ulme stark bedroht sei, sehr viele Eschen absterben und auch die Fichte unter dem sogenannten Borkenkäfer leide. Hier kann Otto Ertl ein Stück weit Entwarnung geben. „Die Ulme erholt sich wieder etwas, es gibt wieder immer mehr davon. Aber schade um die Esche, die gehört genau hierher in die Au“.

„Haben Sie noch ein bisschen Zeit?“ fragt Ertl und geht zu einer Reihe junger „Flatterulmen“. Deren Triebe sind innerhalb eines Jahres um etwa zwei Meter gewachsen, was ungewöhnlich viel ist. Auch ein Ahorn ist nur so in die Höhe geschossen. „Und das ist ein echtes Risiko“ so der Förster. Er deutet auf eine Robinie. Diese besitzt zahlreiche zentimeterlange Dornen unauffällig an ihrem Stamm, die einen im Unterholz böse zerkratzen können. Das war aber halb im Scherz, denn die durchaus mächtig werdenden Eschen sind wohl das größere Übel mit herunterfallenden Ästen. Wie die Zusammenhänge des Eschentriebsterbens aussehen, vor allem, woher der Pilz kommt und warum er die Eschen befällt, ist noch nicht hinreichend erforscht. Mit einem Rückgang des Krankheitserregers sei derzeit nicht zu rechnen, so die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft auf ihrer Homepage. Deshalb werde gezielt an Infektionsweg, Krankheitsverlauf und Ausbreitung des Pilzes geforscht.

Entkleidet: der Specht war am Werk.