Radler als gleichwertige Verkehrsteilnehmer ansehen
Nach untersagter Fahrt: „Ortsfeste“ Demo in Freilassing-Salzburghofen – Rund 50 Teilnehmer klingelten zu Sprechgesang um die Wette
Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Julian Traublinger, 13.04.2021
Beitragsbild: Die Teilnehmer der Demo in Salzburghofen blieben mit ihren Fahrrädern an Ort und Stelle. − Foto: Wolfgang Fieweger
Freilassing. Die neugegründete „Radl-Initiative“ um Christine und Lenz Heuwieser sowie Dr. Vigil Berleth (wir berichteten) lud am vergangenen Freitag ein zur Kundgebung auf dem Platz neben dem Salzburghofener Friedhof. Petrus war gnädig und sorgte für angenehmes Wetter. Nicht ganz so gnädig war das Landratsamt als genehmigende Behörde. Die Demo wurde zwar erlaubt, aber nur „ortsfest“ und unter einigen Auflagen, wie dem Stellen von mindestens acht Ordnern zur Sicherheit der Teilnehmer und des Verkehrs am Friedhofsparkplatz. Die Veranstalter waren sichtlich bemüht, alles zu erfüllen. Eine geplante Radl-Fahrt auf der sogenannten Freilassinger Nord-Süd-Achse, durch Laufener, Ludwig-Zeller- und Reichenhaller Straße im Anschluss an die Kundgebung war nicht genehmigt. Weshalb, erläuterte der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion Freilassing, Thomas Dangl: Denn dazu hätte die komplette Strecke von der Polizei abgesperrt werden müssen, einschließlich der Seitenstraßen, was als Option verworfen wurde.
Angriffe in Leserbriefen: Heuwieser verwahrt sich
Anlass für die Kundgebung war die Debatte, die sich im Stadtrat und in den Medien rund um geplante „Schutzstreifen“ für Radler in der Reichenhaller Straße entzündete (wir berichteten). Diese Maßnahme wurde zusammen mit dem anstehenden Ausbau der Straße vom Stadtrat abgelehnt aufgrund eines Patts. Unter lautem Fahrradklingeln („Aus Trillerpfeifen könnte ein Virus schlüpfen“) verkündeten die circa 50 Demonstranten deshalb ihre konkreten Ziele. Dies war verbunden mit dem Refrain der Organisatoren am Mikro: „Wir sind viele, machen Lärm, damit die Stadträte uns hör‘n“. Demzufolge geht es den Radlern um die Errichtung von Fahrradschutzstreifen, mehr Sicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer, Entwicklung einer Fahrradinfrastruktur, ein gutes Klima, die Gesundheit und eine zukunftsfähige, lebenswerte, radlerfreundliche Stadt. Redner Lenz Heuwieser meinte etwas ironisch: „Ein bisschen bin ich CSU und FWG fast dankbar, denn sie haben eine Diskussion über die Rolle des Fahrrads in der Zukunft unserer Stadt angestoßen“. Er verwahrte sich allerdings gegen Angriffe in Leserbriefen. Heuwieser fühlt sich nicht als Teil einer „durchgrünten Minderheit“, die unsere Republik „weiter auf links“ drehen will. Die Radl-Initiative versuche auch nicht, „mit geradezu fanatischem Eifer“ der Allgemeinheit ihre „Ideologie“ aufzudrücken. Eher habe er das Gefühl, dass viele „Befürworter der Fahrradmobilität ihre Leserbriefe überaus sachlich und vernünftig verfasst hatten, und dass wir in dieser Sache viele sind“. Christine Heuwieser von der Radl-Initiative unterstrich in ihrer Rede, dass es nicht nur um diesen einen Schutzstreifen in dieser einen Straße gehe, sondern um eine gute Fahrradinfrastruktur in ganz Freilassing. Da die Reichenhaller Straße als nächstes ausgebaut werden soll, solle man eben jetzt und hier mit Schutzstreifen anfangen. Beim späteren Ausbau von Ludwig-Zeller- und Laufener Straße sowie auf allen Hauptverkehrsstraßen der Stadt sei ein Fahrradschutzstreifen sinnvoll. Weiter betonte Heuwieser, dass es nicht darum gehe, Autofahrer gegen Radfahrer auszuspielen – „aber wir finden, dass sie gleichwertig sind“. Christine Heuwieser räumte ein: „Natürlich gibt es gute Gründe für das Autofahren, zum Beispiel wenn es um Ältere, Kranke oder Menschen mit Handicap geht“. Sie pochte aber darauf, dass Radfahrer, einzeln unterwegs, wie meist auch die Autonutzer, nicht als Verkehrsteilnehmer zweiter Klasse behandelt werden dürfen.
Christine Heuwieser hatte auch eine Botschaft an die Gewerbebetriebe und das Wifo. Sie erinnerte daran, dass „wir Radfahrer“ selten zum Outletcenter außerhalb der Stadt, aber als treueste Kunden in die Innenstadt, etwa zum Markt, zur Apotheke oder zum Restaurant fahren. Und: „Jeder Radfahrende, der auf sicheren und schnellen Wegen in die Innenstadt gelenkt wird, lässt einen Parkplatz für Menschen frei, die ihn dringend benötigen“.
Als Hauptrednerin lud die Radl-Initiative die Stadträtin der Bürgerliste und Umweltreferentin Stefanie Riehl ein. Diese erläuterte noch einmal die Ausgangslage. Riehl bedankte sich, dass die Demonstranten ein Zeichen setzen. Bürgerliste und Grüne forderten ein Radkonzept für die gesamte Stadt. Da gebe es noch viele Bordsteine abzusenken. „Selbstverständlich fordern wir eine angemessene Berücksichtigung der Radler beim Ausbau der sogenannten Nord-Süd-Verkehrsachse“, so Riehl. Sie rekapitulierte ausführlich den Hergang bis zur zweiten Abstimmung im Stadtrat, die erneut mit einem Patt endete. Die Zeit dränge, bis spätestens August müsse im Stadtrat eine Entscheidung fallen, damit überhaupt noch eine Förderung für den Straßenbau möglich ist. Alleine für die Schutzstreifen gäbe es 200.000 Euro.
Riehl wünscht Wiedersehen bei „echter Radl-Demo“
Stefanie Riehl erhofft sich, dass die Fahrradfahrer in Freilassing noch mehr werden. Das werde auch der Fall sein, wenn die nötige Infrastruktur in der Stadt aufgebaut wird. „Wir sind klimafreundlich unterwegs, wir tun was für unsere Gesundheit, als Radfahrer brauchen wir ganz wenig Platz auf den Straßen und im Stadtraum“, verkündete Riehl. Sie wünscht sich ein Wiedersehen bei einer „echten Radl-Demo, bei der wir gemeinsam die Nord-Süd-Achse abfahren“.
Dr. Vigil Berleth lobte abschließend, wie sich das Landratsamt „sehr viele und auch sinnvolle Gedanken zur Sicherheit der Teilnehmer und auch Rechtssicherheit der Veranstalter“ machte. Die Veranstaltungsleitung honoriere die ausführliche Begründung des Genehmigungsbescheids. Dazu passe die ausdrückliche Anerkennung durch die Polizei für Organisation und Durchführung der Veranstaltung sowie das disziplinierte Verhalten der Teilnehmer. Die Radl-Initiative wird unterdessen nicht ruhen, denn Dr. Berleth kündigte bereits eine Folgeveranstaltung an, die für 30. April geplant ist. Genaueres wird noch in der Presse bekannt gegeben.