Dr. Körfgen auf dem Rad

„Wir haben nur den einen Planeten“

Eine Radtour mit… Dr. Thomas Körfgen zum Tag der Umwelt am heutigen 5. Juni
Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 05.06.2021

Freilassing. Über ein Jahr begleitete die Heimatzeitung nun bereits mehr oder weniger bekannte Freilassinger zu Spaziergängen, um mit ihnen über Themen zu sprechen, die sie bewegen. Einen dieser Spaziergänge, der auf das meiste Interesse gestoßen ist, haben wir mit Dr. Thomas Körfgen unternommen: Der Mediziner beklagte sich damals über die Menge an weggeworfenen Zigarettenkippen am Wegesrand (siehe auch hier). Zehntausende Male wurde dieser Bericht auf unserer Internetseite www.pnp.de geklickt. Weil sich Dr. Körfgen generell sehr für mehr Umweltschutz einsetzt, haben wir uns mit ihm ein weiteres Mal getroffen – diesmal zu einer Radtour.

Beitragsbild: Immer mit dem Fahrrad in der Stadt – wie hier vor dem Rathaus – unterwegs: Dr. Thomas Körfgen. − Foto: Julian Traublinger

Herr Dr. Körfgen, dass Sie sich viel mit dem Rad durch die Stadt bewegen, ist das auch schon Umweltschutz?
Dr. Thomas Körfgen: In gewisser Weise, aber ich bewege mich einfach gerne an der frischen Luft. Bei Fahrten am Wochenende nach Salzburg der Saalach-Salzach entlang genieße ich auch das staufreie Zum-Ziel-Kommen ohne Parkplatzsuche sehr. Und der Umweltgedanke ist natürlich ein schöner Nebenaspekt.

Die Umwelt ist Ihnen wichtig?
Dr. Körfgen: Ja, das kann man wohl behaupten. Wenn ich so unsere Welt anschaue, wie sie den „Bach hinuntergeht“ – im doppelten Sinn des Wortes, denn pro Minute schmelzen in der Arktis eine Million Tonnen Eis ab – wird es mir angst und bang und es macht mich sehr traurig. Ich fürchte mich vor dem Tag, an dem eines unserer fünf Enkelkinder mich anspricht: „Opa, was habt ihr mit unserem blauen Planeten getan? Wieso habt ihr ihn kaputtgehen lassen? Was hast du dagegen unternommen?“

Was können wir denn tun? Wir sind doch in Deutschland nur ein minimaler Bruchteil der gesamten Weltbevölkerung – Was können wir da erreichen?
Dr. Körfgen: Wir gehören zu den reichsten Ländern der Welt. Auf uns wird geschaut so in dem Sinne: Wie machen die das? Unsere Aufgabe ist es, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Aber Deutschland macht doch schon einiges, zum Beispiel fördert es die Entwicklung des Wasserstoffantriebs.
Dr. Körfgen: Ja, das stimmt, dies sind zwar positive Ansätze, aber alles nur zaghaftes Stückwerk. Wenn wir unseren Planeten noch retten wollen, müssen wir endlich „klotzen“ und nicht „kleckern“. Wie schrieb Thomas Henningsen in einem Artikel: „Die Politik buckelt vor der Industrie“.

Können Sie da ein Beispiel nennen?
Dr. Körfgen: Ich finde es einen Skandal, dass in Deutschland immer noch kein Tempolimit auf den Autobahnen besteht – mit allerhand an den Haaren herbeigezogenen Ausreden: Es würde nichts bringen für die Umwelt, die Verkehrsunfallzahl würde nicht zurückgehen, und außerdem bestünden eh schon viele Geschwindigkeitsbegrenzungen. Ich finde das Fahren auf den österreichischen Autobahnen so entspannend, man stellt den Tempomat ein und kann dem Verkehrsfluss locker folgen.

In Deutschland sind nun mal viele Arbeitsplätze von der Autoindustrie abhängig…
Dr. Körfgen: Ach, wenn ich das schon höre! Ein Auto muss mindestens zehn Jahre gefahren werden, um die Umweltbelastung bei der Herstellung auszugleichen. Die damalige Abwrackprämie als gut für die Umwelt darzustellen, war schon sehr dreist, wie manche behaupten. Tanzen wir nicht um das goldene Kalb wie die Israeliten? Oder wie es in meiner alten Heimat heißt: „Mei heiligs Blechle“… Muss es unbedingt ein höheres und größeres Auto sein, das meist mehr Benzin verbraucht, nur weil es „schick“ ist, wie ich mir habe sagen lassen, weil es einfach im Trend ist? Ich habe mir vorgenommen, wenn ich einmal in höherem Alter nicht mehr bei einem „normalen“ Auto ein- und aussteigen kann, dann ist es Zeit, mit dem Autofahren aufzuhören.

Haben Sie kein Auto?
Dr. Körfgen: Doch – und ich bin dankbar darum, benütze es aber bewusst und sparsam.

Was kann nun jeder einzelne tun? Müssen wir auf viel verzichten?
Dr. Körfgen: Das Wort „Verzicht“ würde ich gar nicht in den Mund nehmen. Das hört sich so asketisch an. Sehen Sie, wir leben doch in Deutschland und vor allem in Bayern in einem Land der Seligen. Es geht den meisten Menschen sehr gut. Es gibt so viele Dinge, wofür wir einfach nur dankbar sein dürfen. Aber nun zum „Verzicht“: Ich möchte es gerne so ausdrücken: Wir füllen unser Glas halbvoll, damit ist es immer noch halbvoll, und wir können es Schluck für Schluck genießen. Ich habe einige Tipps gesammelt (siehe Tipps fürs Umweltbewusstsein). Wir können mehr tun, als alle paar Jahre bei der Wahl eine Partei ankreuzen, etwa Leserbriefe schreiben oder einschlägige Petitionen unterzeichnen.

Sind Sie Vegetarier?
Dr. Körfgen: Leider nein, einmal pro Woche gönnen wir uns ein Hähnchenschnitzel vom Wochenmarkt.

Warum sagen Sie leider?
Dr. Körfgen: Es wäre für die Umwelt besser. Denn um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, benötigt man 30 Kilo Getreide, die Weltbevölkerung müsste mit einer pflanzlichen Ernährung wohl weniger hungern. Außerdem sind Stickstoffdüngemittel und die Tierhaltung entscheidende Emissionsquellen für Treibhausgase.

Heuer sind Bundestagswahlen. Welche Partei nimmt es wirklich ernst mit dem Klima- und Umweltschutz?
Dr. Körfgen: Es reicht nicht, einfach nur bei seiner Wahlentscheidung an die Umwelt zu denken. Wir können so viel mehr tun – und sei es, nur den eigenen Konsum einzuschränken. Es ist unglaublich, was wir im Laufe eines Lebens an unnützem Zeug anhäufen. Dabei hat es eine meiner Patientinnen einmal treffend ausgedrückt: „Der Leichenwagen hat keinen Anhänger!“

Unsere Wirtschaft ist aber doch von steigendem Konsum abhängig…
Dr. Körfgen: Ich denke an die Weissagung der Cree: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann!“ – Wir haben nur den einen Planeten.

Es radelte Julian Traublinger.