Blick ins Publikum der Radl-Demo

Schulterschluss mit Politik und Gewerbe

Rad-Expertin Guttenberger zeigt bei Info-Demo Chancen für Freilassing auf – Ex-Christkind verlost Gutscheine

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Julian Traublinger, 14.06.2021

Beitragsbild: Die Teilnehmer waren mit ihren Rädern auf den Rathausplatz gekommen. Zu hören war auch ein Sprechgesang begleitet von Fahrradklingeln. – Fotos: Julian Traublinger

Freilassing. Die Radl-Initiative um Dr. Vigil Berleth sowie Christine und Lenz Heuwieser hatte sich auf die neuerliche Demo am Freitagnachmittag wieder gut vorbereitet. Herrlichstes Sommerwetter kam dann noch dazu. Der Ablauf wurde mit Vertretern der Polizei und des Landratsamts besprochen. Eigentlich war es ja nicht nur eine Demo, sondern eine Mischung aus Informationen der Redner, eines Interviews und sogar das ehemalige „Wifo-Christkindl“ Corinna Poschner gab sich die Ehre als Glücksfee bei einer Verlosung. In etwa 50 Teilnehmer fanden sich vor dem Rathaus ein, viele mit ihrem Fahrrad.

In seiner Begrüßung resümierte Dr. Vigil Berleth zur Freilassinger Fahrrad-Politik: „Das klingt sehr ambitioniert und nach viel Arbeit.“ Eine gute Lösung gebe es nur mit überparteilicher Zusammenarbeit. Unterstützung erhoffte sich Berleth von der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) in Bayern.


Hiebl: Arbeiten laufen, aber „geht nicht alles auf einmal“


Bürgermeister Markus Hiebl sagte zur Radverkehrssituation in der Stadt: „Da sind wir lückenhaft.“

Daraufhin ergriff Bürgermeister Markus Hiebl das Wort. Ein Gesamtkonzept sei hinsichtlich der Radverkehrssituation in der Stadt gefordert. „Da sind wir lückenhaft“, so Hiebl. Der Rathauschef verdeutlichte, dass bereits an Lösungen gearbeitet wird, doch das „geht nicht alles auf einmal“. Am selben Tag konnte er sich bereits mit der Hauptrednerin Sarah Guttenberger besprechen. Sie ist die Geschäftsführerin der AGFK und war eigens mit der Bahn aus Erlangen angereist, um über den Verein zu informieren sowie Möglichkeiten für Freilassing aufzuzeigen.

Lenz Heuwieser „löcherte“ Sarah Guttenberger von der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern mit Fragen.

Anschließend an einen Sprechgesang begleitet von Fahrradklingeln folgte ein Interview zwischen Lenz Heuwieser und Guttenberger, die zugesagt hatte, dass sie „mit Fragen einfach so gelöchert“ werden durfte. Heuwieser erklärte, dass mit der AGFK ein entscheidender Schritt gemacht sei. Der derzeitige weltweite Fahrrad-Boom sei ein Zeichen für wünschenswerte Veränderungen, die viele Landkreise, Städte und Gemeinden fördern wollen.

Das ehemalige „Wifo-Christkindl“ Corinna Poschner verlas die glücklichen Gewinner der Verlosung, die von Christine Heuwieser moderiert wurde.

Guttenberger von der AGFK schilderte den Werdegang des Vereins, der 2012 auf die Initiative der Stadt Erlangen hin gegründet wurde. Schon frühzeitig gab es eine Verbindung zu Staatsminister Joachim Herrmann, einem Sohn dieser Stadt. Damit war das bayerische Verkehrsministerium von Anfang an im Boot. Die Geschäftsstelle mit zwei Mitarbeiterinnen in Erlangen und zwei in München ist für ganz Bayern zuständig, der persönliche Kontakt zu interessierten Kommunen wird gepflegt. Der Verein stellt Materialien zur Verfügung, stößt Initiativen an, begleitet diese und organisiert Seminare sowie Veranstaltungen. Aktuell laufen Aktionen zum Thema „Elterntaxis“ bezüglich der Schulweggestaltung.

Eine Kommune kann sich bei der AGFK als fahrradfreundlich um die entsprechende Auszeichnung bewerben. Zum Zug kommt die Gemeinde, wenn sie innerhalb von vier Jahren einen Maßnahmenkatalog erfüllt. Dabei soll es aber nicht bleiben, vielmehr wird ein andauernder Prozess angestrebt. Von Heuwieser nach einem guten Praxisbeispiel gefragt, nannte Sarah Guttenberger das „Stadtradeln“. Das gab es zuerst in Nürnberg und es hat sich international verbreitet. Dabei können in einer Stadt die geradelten Kilometer gezählt werden und Teams aus Schulen oder Firmen gegeneinander antreten.


Sarah Guttenberger: In Freilassing ist Potenzial da


Ein weiteres Beispiel, das Guttenberger nannte, ist die Möglichkeit, das Fahrrad beim Antritt einer Bahnfahrt abzugeben. Und zwar in einer Werkstatt mit Service, so dass bei der Rückkehr der fahrbare Untersatz bestens funktioniert. Konkret zur Situation Freilassings meinte die AGFK-Vertreterin: „Das Potenzial ist da“. Sollte es in Zukunft zu einer Bewerbung der Stadt um eine Mitgliedschaft kommen, müsste sie circa 1.500 Euro Beitrag im Jahr leisten. Gefragt nach einem wünschenswerten Rahmen an Investitionen in den Radverkehr einer Gemeinde wie Freilassing, nannte Guttenberger 16 bis 18 Euro pro Einwohner. Ist der Stand schon besonders gut, muss entsprechend weniger aufgewendet werden. Allerdings sei schon viel damit getan, die bestehenden Fördertöpfe auszuschöpfen. Der Radverkehr „ist ein emotionales Thema“, so Guttenberger. Oft gibt es „autolastige Städte“. Ein Beispiel, wo gegen viel Widerstand Fahrradfreundlichkeit erreicht wurde, sei Kopenhagen. Man müsse sich eben auch gegen großen Gegenwind durchsetzen. Der krönende Abschluss vor dem Rathaus war eine Verlosung von Einkaufsgutscheinen, die neun Freilassinger Geschäfte gesponsert hatten, zur großen Freude der Radl-Initiative. Das ehemalige „Wifo-Christkindl“ Corinna Poschner zog die glücklichen Gewinner. Beigetragen hatten das Eiscafé Cellino, die Restaurants Das Post, Da Gigi und bonami, Café-Konditorei Vogg, Bäckerei Dallmeier, Feinkost La Taverna, Bioladen Freilassing und Reformhaus Sulek.

Christine Heuwieser moderierte die Verlosung und rief die Teilnehmer im Publikum auf, im Anschluss in die Innenstadt zu radeln und dort zu konsumieren. So soll den Gewerbetreibenden gezeigt werden, dass Radler ebenso gute Kunden sind wie Autofahrer, dabei aber kaum Parkraum benötigen, den Aufenthaltswert der Stadt erhöhen und keine klimaschädlichen Abgase produzieren, betonte Heuwieser.

(Siehe auch den Artikel vom 18.06.2021)