Intensivkrankenschwester Angelika Walcher mit Motorradausrüstung

„Wir lassen Fachleute sprechen“

Video-Serie des Landkreises Traunstein zum Coronavirus und den Impfungen stößt auf große Resonanz

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Robert Seifert, 30.11.2021

Beitragsbild: Angelika Walcher von der Intensivstation in Traunstein vergleicht im aktuellsten „Wir lassen Fachkräfte sprechen“-Video die Corona-Schutzimpfung mit der Schutzausrüstung beim Motorradfahren: Den Unfall an sich könne diese nicht verhindern, jedoch seien die Folgen „bei weitem nicht so verheerend und schwerwiegend wie ohne Schutzausrüstung“. Mit eindringlichen Worten schildert sie ihren Arbeitsalltag und ruft die Menschen dazu auf, die Impfangebote zu nutzen. − Screenshot: Seifert

Traunstein. Unter dem Motto „Wir lassen Fachleute sprechen“ haben der Landkreis Traunstein und Landrat Siegfried Walch eine Video-Serie rund um die Corona-Pandemie und die Schutzimpfungen gestartet. In den sozialen Medien kommen dabei absolute Experten aus dem medizinischen Alltag zu Wort – zum Auftakt etwa der Infektiologe und Chefarzt der Kliniken Südostbayern (KSOB), Prof. Dr. Thomas Glück oder auch der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Traunstein, Dr. Wolfgang Krämer.

Dr. Gerhard Wolf, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, geht in seinem Beitrag etwa auf die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) erst später empfohlenen Impfungen für unter 18-Jährige ein. Dr. Herbert Bruckmayer, Chefarzt für Innere Medizin in den Kliniken Südostbayern (KSOB) und leitender Arzt der Impfzentren im Landkreis, widmet sich der recht hohen Schutzwirkung der Impfstoffe. Und Dr. Christian Schindlbeck, Chefarzt der Frauenklinik an den Kreiskliniken Traunstein und Bad Reichenhall, legt dar, warum er Corona-Impfungen auch für Schwangere oder Frauen mit Kinderwunsch empfiehlt, wird doch im Netz immer wieder die Sorge geäußert, dass die Impfstoffe unfruchtbar machen könnten. Die Hebamme Annette Weisky geht auf die häufig gestellte Frage ein, ob eine Impfung auch für stillende Mütter möglich und empfohlen ist. Ihr Fazit: „Eine Corona-Impfung in der Stillzeit ist jederzeit möglich und hat positive Effekte auf ihr Baby.“ Denn eine Impfung der Mutter führe zu einer passiven Immunisierung beim gestillten Baby: „Im Volksmund wird dies als Nestschutz bezeichnet.“ Dieser Effekt habe inzwischen auch bei der Corona-Impfung nachgewiesen werden können: „In der Muttermilch sind schützende Antikörper nachweisbar.“

Der Impfstoff sei dagegen nicht ans Kind übertragbar, „und eine Erkrankung des Kindes an Covid durch die Impfung kann ebenfalls ausgeschlossen werden.“ Bei Studien in den USA hätten nur vier Prozent der Mütter von Quengeleien der Kinder nach der Impfung berichtet. Ganz vereinzelt sprachen sie von einer reduzierten Milchmenge am Impftag, was aber auch dem Stress geschuldet sein könnte. „Ich kann Ihnen mit meinem Statement die Entscheidung nicht abnehmen, möchte Ihnen aber Mut machen, sich im Sinne der persönlichen und gesellschaftlichen Verantwortung für die Impfung zu entscheiden.“

Im aktuellsten „Wir lassen Fachleute sprechen“-Beitrag auf Walchs Facebook-Seite schildert Angelika Walcher, die seit acht Jahren auf der Intensivstation in Traunstein im Einsatz ist, die Lage an ihrer Arbeitsstelle. Sie wählt eingangs einen anschaulichen Vergleich mit einer Schutzausrüstung samt Helm und Lederkombi bei einem Motorradausflug. Dies alles schütze freilich nicht vor einem Unfall an sich, „aber die Folgen sind bei weitem nicht so verheerend und schwerwiegend wie ohne Schutzausrüstung.“ Ähnlich sei es bei der Corona-Schutzimpfung: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich mich mit dem Virus infiziere, aber die Auswirkungen der Impfung fallen deutlich geringer aus als ohne Impfung.“


Erlebnisse anstrengend, belastend, angsteinflößend


Sie habe in ihrem Arbeitsleben bereits viele traurige Schicksale gesehen, fährt Walcher fort. „Aber was ich jetzt durch die Corona-Pandemie erlebe, kann ich kaum in Worte fassen. Es ist belastend, anstrengend und angsteinflößend.“ In der Regel kämen die Corona-Patienten bereits nach Luft schnappend, kraftlos und voller Angst auf die Intensivstation. „Die Lunge ist bereits so geschädigt, dass nicht mehr genug Sauerstoff aufgenommen werden kann.“ Die Folge seien meist künstliches Koma mit künstlicher Beatmung. Damit die Lunge besser arbeiten kann, müssten die Patienten oft auf den Bauch gelagert werden. Mindestens zwei Pflegekräfte und ein Arzt seien über mehrere Stunden mit nur einem Patienten beschäftigt, die Versorgung anderer Menschen müsse dann hintangestellt werden. „Pro Schicht betreut eine Pflegekraft mindestens zwei schwerstkranke Patienten.“ Das künstliche Koma mit der Hoffnung auf Besserung dauere etwa zwei bis drei Wochen. „Bei keinem unserer Patienten wissen wir, ob er diese Zeit überlebt – und ich spreche hier nicht von Leuten, die älter als 80 Jahre sind.“ Vielmehr seien die Patienten aktuell 50 Jahre und jünger, fast alle ungeimpft. Die geimpften Intensivpatienten seien dagegen meist älter als 70 Jahre und stark vorerkrankt.

„Die Arbeit mit Corona-Kranken ist sehr anstrengend“, berichtet Walcher. Das liege aber nicht an der Schutzkleidung oder der FFP3-Maske, die sie acht bis zehn Stunden am Tag tragen müsse, oder dem ständigen Aus- und Einschleusen. „Das liegt am massiv schlechten Zustand dieser Menschen – der tägliche Kampf, dass sie nicht sterben.“ Denjenigen, die nicht im künstlichen Koma liegen, wolle sie Trost und Aufmerksamkeit schenken. Da bleibe kaum Zeit, um Pausen einzulegen, und immer wieder müsse sie zuschauen, wie Menschen trotz aller ärztlichen Bemühungen sterben. „Das ist das, was mich fertig und kaputt macht.“ Und das sei auch der Grund, warum viele Pflegekräfte den Job an den Nagel hängen: „20 Tote in drei Wochen, das war die Anfangszeit der ersten Corona-Welle. Jetzt überrollt uns gerade die vierte Welle, und es ist wieder kryptisch.“ Die Betten seien voll belegt, die Kapazitäten reichten hinten und vorne nicht. „Es muss ausgewählt werden, wer einen Intensivplatz bekommt, wer die besten Überlebenschancen hat und wer nicht.“ Viele, die zum Zug kommen, müssten dann nach einiger Zeit aber doch in andere Bundesländer verlegt werden, „weil es hier im Umkreis keine Betten mehr gibt“. Und aktuell sei kein Ende in Sicht, sondern man sei erst am Anfang.

Mit eindringlichen Sätzen schließt Angelika Walcher ihre Videobotschaft: „Auch wenn Ihr jung und gesund seid, kann eine Infektion mit diesem Virus heftig sein und auch lange danach starke Probleme machen.“ Die Corona-Schutzimpfung sei der schnellste und effektivste Weg, um dieses Risiko nicht eingehen zu müssen und allgemein wieder in ein normales Leben zurückzukommen.