Öl auf Pappmaché: Ein Selbstbildnis von Irma Rafaela Toledo aus dem Jahr 1950.

Jüdische Kunst erinnert an Zeit des Unrechts

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 04.12.2023

Von Tanja Weichold

Beitragsbild: Öl auf Pappmaché: Ein Selbstbildnis von Irma Rafaela Toledo aus dem Jahr 1950. Fotos: alle Tanja Weichold

Freilassing. Die Jüdin Irma Friedmann führte einst mit ihrem Mann einen Kurzwarenladen in Freilassing. Sie floh vor den Nazis zuerst nach Salzburg und versteckte sich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs im Salzburger Land, wo sie sich stundenweise vor Uniformierten sogar in Höhlen in Sicherheit bringen musste. Die gebürtige Laufenerin überlebte und machte sich später als Malerin unter dem Namen Irma Rafaela Toledo einen Namen. Seit Freitag ist in der Stadtgalerie eine Ausstellung mit ihren Werken zu sehen.

25 Bilder und zehn Kunstdrucke aus ihrem Zyklus „Genesis” sind zu sehen. Leihgeber sind Verwandte, das Schloss Puchberg bei Wels und die Stadt Laufen hat zwei Bilder beigesteuert. Im Nebenraum wird der etwa 50-minütige ORF-Film „Die drei Leben der Irma R Toledo” aus dem Jahr 1998 abgespielt. Die Künstlerin verstarb 2002 in Salzburg.


In Israel lebende Verwandte per Video zugeschaltet


Organisator der Ausstellung ist Julian Traublinger. Der 42-Jährige war in seiner Schulzeit am Rottmayr-Gymnasium im Rahmen eines Geschichte-Seminars das erste Mal mit ihr in Berührung gekommen und das Interesse hatte ihn nie losgelassen. Kulturreferent und Dritter Bürgermeister Wolfgang Hartmann schlug ihm eine Ausstellung vor und war bei den Vorbereitungen behilflich, die im August vergangenen Jahres mit ersten Kontaktaufnahmen begannen.

Nachkommen und Verwandte der Künstlerin: Enkelin Helma Stöcker-Tol (von links) aus Göppingen, Enkelin Angelika Reinhold aus Stuttgart, Enkelin Gabriele Weber aus Stuttgart (im Rollstuhl), Katharina Seywald, Organisator Julian Traublinger, Enkel Michael Seywald aus Salzburg, Hannah und ihre Mutter, die Ur-Großcousine Stefanie Netsch, aus Salzburg, Urenkelin Alexandra Reinhold aus Innsbruck, Urenkelin Rebecca Weber aus Nürnberg, Hannes Schmeisser, Silvia Maag-Schmeisser und Dr. Thomas Seywald aus Salzburg.

Bei der Vernissage waren nicht nur eine Reihe interessierter Besucher, sondern auch zehn Nachkommen von Irma Rafaela Toledo in der Stadtgalerie. Sie stammen aus Salzburg sowie aus dem Ulmer Raum. Die in Israel lebenden Verwandten konnten nicht kommen, weil die derzeitigen Kriegshandlungen zwischen Israel und Palästina im Gaza-Streifen das Reisen deutlich erschwert haben. Sie waren jedoch über Video am Handy zugeschaltet.

Traublinger sagte in seiner Begrüßung: „Die Malerin Toledo hatte großes Glück, dass sie als jüdischstämmige Laufenerin dem Naziterror in unserer Gegend entkommen ist. Viele aus ihrer Familie, der Familie Friedmann, wurden ermordet oder flohen außer Landes. An einige Mitglieder erinnern seit 2018 sechs Stolpersteine in der Schloßstraße in Laufen.”

Bei der Ausstellung solle die Kunst Toledos betrachtet werden, und sie soll an Verfolgung und Unrecht erinnern, das das Nazi-Regime auch in dieser Gegend beging, führte Traublinger aus. In der Nachkriegszeit sei Toledo als Malerin erfolgreich geworden und mit dem Professor-Titel geehrt worden: „Ihre Kunst genießt hohes Ansehen.”

Der Organisator Julian Traublinger (l.) mit Freilassings Bürgermeister Markus Hiebl sowie Dritter Bürgermeister und Kulturreferent Wolfgang Hartmann (r.).

Bürgermeister Markus Hiebl erinnerte daran, dass antisemitische Vorurteile schrecklicherweise auch heute noch präsent seien. Engagement gegen Antisemitismus solle ein zentrales Anliegen sein, gerade in der heutigen Zeit. Freilassing sei eine Station im schicksalhaften Leben Toledos gewesen. „Es ist eine Ehre, ihre Werke jetzt in der Stadtgalerie zu bewundern”, so Hiebl. Er schlug den Bogen zum heutigen Kulturreferenten Hartmann. Der habe sein Optikergeschäft heute in jenen Räumen, in denen damals Rafaela Toledo mit ihrem Mann das Kurzwarengeschäft betrieb.

Umrahmten die Vernissage musikalisch: Hannes Schmeisser (links), Sohn von Irma Rafaela Toledo, und Michael Seywald, ein Enkel.

Toledos Sohn Hannes Schmeisser und ihr Enkel Michael Seywald spielten mehrere kurze Stücke für zwei Violinen. Schmeisser las aus literarischen Gedanken Toledos und der Salzburger Galerist und Enkel Toledos, Dr. Thomas Seywald, ging auf die „Salzburger Gruppe” ein, in der sich Toledo nach dem Krieg mit anderen Künstlern zusammengefunden hatte. Die Vernissage endete mit dem Betrachten der Bilder, bei Gesprächen und dem gemeinsamen Schauen des ORF-Films. Die Ausstellung ist bis Freitag, 22. Dezember, zu sehen. Öffnungszeiten sind freitags bis sonntags jeweils von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.