Foto von Ludwig Unterreiner

„Diese Ausgrenzung finde ich unerträglich“

„Spaziergang“ mit Ludwig Unterreiner – Nach Hoeneß-Aussage zu Ungeimpften kündigt er als FCB-Mitglied

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 13.01.2022

Beitragsbild: „Meiner Meinung nach wäre angemessener, wenn rechtlich verurteilte Steuerbetrüger ausgegrenzt werden“, sagt Ludwig Unterreiner zur Aussage von Uli Hoeneß, die ihn dazu bewogen hat, seine jahrzehntelange Mitgliedschaft beim FC Bayern zu kündigen. − Foto: Franz Eder

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Freilassing. Dass der „Mister FCB“ Uli Hoeneß sein Herz auf der Zunge trägt, ist kein Geheimnis – und dafür wird er von Millionen Fußballfans geliebt oder gehasst. Bei einem Interview anlässlich seines 70. Geburtstags hat die „Abteilung Attacke“, wie der ehemalige Weltklasse-Stürmer genannt wird, jetzt erneut scharf geschossen. Zielscheibe waren dieses Mal aber nicht die Gegner in der Fußball-Bundesliga, sondern Ungeimpfte. Dies verärgerte den Freilassinger Ludwig Unterreiner so sehr, dass er seine langjährige Mitgliedschaft kündigte und auch seine Jahreskarte zurückgab, wie der ehemalige Stadt- und Kreisrat im Rahmen unserer „Spaziergang“- Serie erklärt.

Hallo Herr Unterreiner, ich vermute, der Start in die Bundesliga-Rückrunde war für Sie als langjähriges Bayern-Mitglied gleich in doppelter Hinsicht bitter. Zum einen hagelte es für die stark dezimierten Roten die nächste Pleite gegen Gladbach und zum anderen konnten Sie als Dauerkartenbesitzer wegen der Geisterspiele erneut nicht dabei sein.
Ludwig Unterreiner: Gefreut habe ich mich darüber natürlich nicht. Allerdings muss ich sagen, dass ich vor Kurzem meine Mitgliedschaft zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt habe.

Oha, das kommt überraschend. Waren Sie mit der sportlichen Entwicklung nicht zufrieden?
Unterreiner: Doch, das auf jeden Fall. Erst die sehr erfolgreiche Zeit unter Hansi Flick mit sechs Titeln in einer Saison und nun die vielversprechende Fortsetzung unter Julian Nagelsmann freuen mich natürlich sehr. Der Austritt hat auch gar nichts mit dem Sportlichen zu tun.

Sondern?
Unterreiner: Mit der Aussage des Ehrenpräsidenten des FC Bayern, Uli Hoeneß, der sich dafür ausgesprochen hat, dass ungeimpfte Menschen konsequent vom Leben ausgegrenzt werden. Da ich derzeit als genesen gelte, betrifft es mich zwar nicht unmittelbar. Aber Menschen nur, weil sie Angst vor der Impfung haben, auszugrenzen, halte ich für diskriminierend. Und diese Aussage hat eben nicht irgendwer getroffen, sondern der Ehrenpräsident des FC Bayern, sozusagen der Mister FCB persönlich. Das wiegt schwer!

Schwer ist Ihnen aber wohl auch diese Entscheidung gefallen…
Unterreiner: Natürlich. Seit ich denken kann gehört mein Fußballherz dem FC Bayern. Seit über 20 Jahren war ich Mitglied bei meinem FCB. Seit meinem ersten Stadionbesuch 1975 beim Saison-Eröffnungsspiel gegen Fortuna Düsseldorf – einem 2:1-Sieg – war ich fast bei jedem Heimspiel live dabei. Die Kündigung fällt mir deshalb äußerst schwer, aber ich habe sie mir reichlich überlegt. Und im Übrigen wäre es meiner Meinung nach angemessener, wenn rechtlich verurteilte Steuerbetrüger ausgegrenzt werden.

Aber spricht Uli Hoeneß nicht nur das aus, was ohnehin bereits Realität ist? Immerhin gilt für bestimmte Berufsgruppen demnächst eine Impfpflicht und über weitere Schritte wird diskutiert.
Unterreiner: Auch diese Ausgrenzung finde ich unerträglich und vor allem auch unverantwortlich. Die Konsequenz wird nun sein, dass vor allem in den Pflegeberufen den Betrieben die Leute in Scharen weglaufen, obwohl sie doch so dringend benötigt werden. Das ist ja bereits in sehr vielen Stellengesuchen von ungeimpften Pflegekräften zu sehen, die ihren Beruf nicht mehr ausüben können und wollen. Offenbar müssen einige erst wieder erkennen, dass das System nur funktioniert, wenn es genügend Menschen gibt, die auch unbeliebtere Arbeiten machen.

Einschränkungen gibt es aber nicht nur in der Arbeitswelt, sondern vor allem im Freizeitbereich.
Unterreiner: Diese ganzen Regelungen wie 2G sind reine Schikane und dienen nur dazu, dass die Ungeimpften nicht mehr am Leben teilhaben können und sie dadurch unter Druck gesetzt werden sollen, sich impfen zu lassen. Wenn man diesen Teil der Bevölkerung pauschal ausgrenzt und auch noch als angebliche Rechtsextremisten, Verschwörungstheoretiker oder Spinner darstellt, treibt man die Spaltung im Land voran. Und es ist ein dramatisches Fehlurteil, denn im Grundgesetz heißt es: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Es heißt nicht: Alle Geimpften sind vor dem Gesetz gleich. Alleine das Wort „Ungeimpfter“ ist ja schon nicht mehr menschlich. Es müsste eigentlich heißen: Er hat sich gegen die Impfung entschieden.


„Mich ärgert, wie schäbig man mit Menschen umgeht“


Man merkt, wie emotional und wütend Sie dieses Thema macht.
Unterreiner: Mich ärgert und bedrückt es wirklich, wie schäbig mit Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, umgegangen wird. Sie haben sich nichts zu Schulden kommen lassen, sie verstoßen nicht gegen Gesetze, sie nehmen nur die Freiheit, die sie haben, in Anspruch. Ich hätte niemals gedacht, dass dieses Land so schäbig mit einer bedeutenden Minderheit umgeht.

Es spazierte Franz Eder.