Irma Rafaela Toledo

Jüdin, Verfolgte und Malerin

Als Künstlerin machte sie sich einen Namen: Heute vor 112 Jahren wurde Irma Rafaela Toledo geboren

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Julian Traublinger, 23.08.2022

Laufen/Freilassing/Salzburg. Als Kursleiterin am Bildungshaus Schloss Puchberg der Diözese Linz war sie hochgeschätzt. In Österreich bekam sie den Titel „Professor“ verliehen. Und sie war Mitglied im Maler-Zirkel „Die Salzburger Gruppe“ um deren Lehrer, den Deutschen Max Peiffer Watenphuhl, der sich viel in Salzburg und in Rom aufhielt.

Beitragsbild: Bis ins hohe Alter blieb Irma Schmeisser ihrer Kunst treu. Ihre Gemälde signierte sie mit Rafaela Toledo. − Foto: Salzburg Museum/Repro Traublinger

Die Rede ist von Irma, geborene Friedmann, verheiratete Schmeisser und später bekannt als Rafaela Toledo. Am 23. August 1910, heute vor genau 112 Jahren, erblickte sie in Laufen das Licht der Welt als Tochter der jüdischen Kaufleute Gustav und Paula Friedmann und jüngstes von vier Geschwistern. Als „Zammgscherads“ habe sie ihr Vater manchmal bezeichnet, berichtete Toledo mit einem Lächeln in einem Film über ihr Leben Ende der Neunziger Jahre. Er meinte damit „das, was übrig geblieben ist“.

Die Familie hatte ein Geschäft für Haushaltswaren in der Schloßstraße und noch heute erzählt man sich, wie beliebt sie war. Jedes Jahr kleideten die Friedmanns Kommunionkinder ein, deren Familien sich das sonst nicht leisten hätten können, heißt es. Gustav Friedmann galt als sozialer Arbeitgeber. Bruder Eduard engagierte sich im Trachtenverein.

1929 lernte Irma ihren späteren Mann Franz Ludwig Schmeisser auf der Hütte beim Skifahren im Tennengau kennen. Hier, bei den „roten“ Naturfreunden, durfte sie dabei sein. Beim Deutschen Alpenverein waren Juden allerdings schon damals, in der Weimarer Republik, ausdrücklich unerwünscht.

Da Franz Schmeisser arbeitslos wurde, unterstützte der Schwiegervater 1933 das junge Ehepaar maßgeblich bei der Gründung eines Geschäfts in der heutigen Freilassinger Hauptstraße zwischen Bäckerei Schütz (zuletzt Sinzinger) und dem Geschäft der Familie Hartmann (heute Augenhaus). Tochter Elisabeth kam bereits 1932 am vorigen Wohnsitz in Grödig zur Welt, Sohn Hannes 1934 in Freilassing.

Anfeindungen, Hetze und Gewalt durch NS-Fanatiker blieben von Anfang an nicht aus. „Das hat aber nichts genützt. Wir hatten ein Bombengeschäft. Das haben uns die anderen Geschäftsleute natürlich geneidet“, sagte Toledo. Trotz einer erfolgreichen Intervention Franz Schmeissers bei der NS-Verwaltung wurde es der Familie zu unsicher. Sie verließ Freilassing 1936 wieder.

Über die Stationen Surheim und Rif kamen die Schmeissers schließlich in der Fasaneriestraße in Salzburg an. Der sogenannte Anschluss Österreichs an Nazideutschland 1938 bedeutete nichts Gutes für sie. Franz wurde nahegelegt, sich scheiden zu lassen, er galt als „Arier“ und die Nazis lockten ihn mit einer Aufnahme in die Werbefachschaft. Die Aussicht auf beruflichen Erfolg brachte ihn nicht von seiner Familie ab. Für die Toledo wäre es das Todesurteil gewesen, hätte sich ihr Mann getrennt.

Zusammen retteten sich die Schmeissers in ein Austraghaus auf dem Schlenken, das sie ab 1937 gemietet hatten. Schließlich wurde klar, dass Irma deportiert werden sollte. Nur noch selten traute sie sich in die Stadt, um die Post zu holen. Auf eine Warnung der Vermieterin hin blieb die ganze Familie von Februar 1945 bis kurz nach Kriegsende schließlich auf der Alm. Bei den Bauern dort wurden sie als Arbeitskräfte eingesetzt. In den Wirren des Mai 1945 flüchteten noch einige Menschen zu ihnen. Speziell Soldaten, die sich vor der SS versteckten und dann auf Schleichwegen weiterzogen.

Schon damals begann Toledo zu malen, sie mochte die Landschaftsmotive. Zurück im Tal brauchte sie eine ganze Weile, um wieder unter Leuten sein zu können, so entfremdet war sie geworden.

Die Eltern Friedmann, Deutsche mit tschechischer Staatsbürgerschaft, waren nach Prag ausgewandert, der Vater starb dort 1934. Mutter Paula wurde mit 72 Jahren deportiert und im Dezember 1944 in Theresienstadt ermordet. Erst Stück für Stück erfuhr Toledo über das Schicksal ihrer ganzen Familie: „Die Mutter, die Geschwister des Vaters und ihre Kinder sind alle umgekommen. Eine einzige Cousine von mir ist zurückgekommen.“


Die Berufung zur Malerin verspürte sie mit 14 Jahren


Überlebende Nachfahren gab und gibt es auch in Israel. Toledos ältere Schwester Camilla ging dorthin und auch Robert, der jüngere der beiden Brüder. „Die Enkelkinder sind schon so weit, dass sie Deutsch lernen, eine Reise nach Deutschland machen wollen, damit sie heute etwas mehr verstehen. Die haben auch keine Rachegefühle“, erzählt Toledo.

Die Berufung zur Malerin verspürte sie schon mit 14 Jahren. Dazu fiel ihr eine Geschichte ein, die wie die anderen Zitate im „Salzfass“ (1/1996), der Zeitschrift des Historischen Vereins Rupertiwinkel, steht: „Mein Vater sagte: ‚Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du heiratest einen Kaufmann, und zwar einen jüdischen, basta.‘ Da habe ich ihm das erste Mal in meinem Leben widersprochen: ‚Nein, ich heirate keinen Juden, ich heirate keinen Kaufmann, ich heirate einen sozialistischen Arbeiter. Basta!‘“ – Was sie dann auch in die Tat umsetzte, sowohl die Heirat, als auch den künstlerischen Beruf.

Toledo wurde die Künstlerin von einer Schulkameradin genannt – nach dem Grillparzer-Stück „Die Jüdin von Toledo“. Nachdem sie begann zu malen, signierte sie ihre Gemälde mit dem Künstlernamen. Schon in den fünfziger Jahren bekam sie Einladungen und Preise. Gemalt hat Toledo aus einer inneren Stimmung heraus ohne Vorlage oder bestimmtes Ziel.

Nach Aquarellen folgten Ölbilder und Porträts. Mit der Zeit fand sie ihren eigenen Stil und wurde immer abstrakter. Als ihr Hauptwerk bezeichnete Toledo selbst die zehn Bilder des Zyklus „Genesis“, die in einem Seminarraum des Bildungshauses Schloss Puchberg bis heute zu sehen sind. Ihrem Beruf blieb sie bis weit in die neunziger Jahre treu.

Toledo befasste sich intensiv mit Religion und Psychologie. Sie habe nie ein „Judenkind“ sein wollen und kannte ihre jüdischen Wurzeln kaum. „Ich bekenne mich absolut zum Judentum, aber nicht zum religiösen Judentum“, erklärte sie. „Die Freiheit, die ich im Christentum – Kirche und Christentum sind für mich ja zweierlei – gefunden habe, konnte ich in der jüdischen Religion nicht sehen.“ Sie entschloss sich dazu, sich in Salzburg-Parsch katholisch taufen zu lassen. Irma Rafaela Toledo starb am 7. Januar 2002 mit 91 Jahren in Salzburg.