Arbeiten gerne gemeinsam draußen im Grünen (von links): Mitarbeiterin der Tagesstätte Cäcilia Hasenöhrl, Besucher Jürgen Leher, die Sozialpädagogin Sonja Müller vom Café der Begegnung, Reiner Haberl, die Besucherinnen Elke Stroyny, Ulli Zerfelt und Waltraut von Eickenhorst sowie Julia Schmied.

Gemeinsames Garteln als Therapie

Fachambulanz für Suchtkranke und Gelbes Haus bieten Gartenprojekt

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, Julian Traublinger, 25.10.2023

Beitragsbild: Arbeiten gerne gemeinsam draußen im Grünen (von links): Mitarbeiterin der Tagesstätte Cäcilia Hasenöhrl, Besucher Jürgen Leher, die Sozialpädagogin Sonja Müller vom Café der Begegnung, Reiner Haberl, die Besucherinnen Elke Stroyny, Ulli Zerfelt und Waltraut von Eickenhorst sowie Julia Schmied.

Bad Reichenhall. Das Café der Begegnung in Bad Reichenhall als niederschwellige Anlaufstelle für Klienten der Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke hat seit 2022 zusammen mit der Tagesstätte im Gelben Haus begonnen, Gartenarbeit als Therapieform anzubieten. Unterstützt werden die beiden Einrichtungen von den Reichenhaller Stadtgärtnern.

Unterhalb der Burg Gruttenstein wird eine kleine Parzelle genutzt. Sie ist derzeit ein wenig verwildert, doch die Beteiligten haben einen langen Atem und sind fest entschlossen, das Projekt weiterzuführen. Dafür suchen sie ein Grundstück in Bad Reichenhall. Julia Schmied, Leiterin des Cafés, sowie Reiner Haberl, Leiter der Tagesstätte, würden sich über Hilfe in Form eines Grundstücksangebots vor Ort freuen.


Eingezäuntes Grundstück mit Gartenhäuschen gesucht


Es solle erst einmal ein Jahr lang gehen und sich bewähren. Das Grundstück solle gepachtet werden, absperrbar sein und die Klienten sollten Verantwortung übernehmen. Die Grundstücksgröße sei noch offen, so der Plan der beiden Sozialpädagogen. „Unsere Vorstellung vom neuen Grundstück ist die Möglichkeit zur Gartenarbeit und Freizeitgestaltung, das heißt, ein eingezäuntes Grundstück mit Gartenhäuschen und Sitzgelegenheiten“, ergänzen sie. Ein pädagogisches Konzept und Visionen zur Projektausgestaltung, wie ein Hochbeet, gibt es auch bereits.

Einmal die Woche werden Kräuter gepflanzt, es gibt ein Insektenhotel und es wurde ein Zaun geflochten. „Es ist wirklich sinnstiftend und es ergibt einen sichtbaren Erfolg, innerhalb von 14 Tagen nach dem Anpflanzen wächst etwas“, äußerten sich die Sozialpädagogen zufrieden gegenüber der Heimatzeitung.

Doch wer sind die Besucher des Cafés und der Tagesstätte? „Leistungsdruck, Normierung und Erwartungen der Gesellschaft machen es unseren Besuchern schwer. Patienten werden nicht in der Gesellschaft aufgenommen und nicht mit Respekt behandelt. Wir bieten offene Begegnungsräume und Rückzugsräume plus fachliche Unterstützung plus Freiraum, um Beziehungen aufzubauen“, so Haberl. Drogenkonsum und Medikamentenmissbrauch sind oft Thema sowie viele Doppeldiagnosen mit Sucht und psychischer Erkrankung. Reiner Haberl: „Deshalb wird im Café Harlekin im Gelben Haus kein Alkohol ausgeschenkt.“


Reiner Haberl, Leiter der Tagesstätte im Gelben Haus, Bad Reichenhall


Die Tagesstätte hat drei Bausteine: Die Kunsttherapie, Beschäftigungsprojekte und die Begegnungsprojekte. Besonders gut laufen Kunsttherapie und Beschäftigungsangebote, wie der Laden, das Café Harlekin und die Lesestube. Die beiden Sozialpädagogen sind stolz auf ihre Arbeit. Dazu meint Haberl: „Wir brennen beide für unseren Job und ich glaube, wir machen ihn gut.“ Er ist seit 2016 Leiter der Tagesstätte im Sozialpsychiatrischen Zentrum BGL im Gelben Haus in Bad Reichenhall und Schmied leitet die Kontakt- und Begegnungsstätte, „Café der Begegnung“, der Caritas-Fachambulanz für Suchtkranke. Das Café besteht seit 2020 in der Bahnhofsstraße 21 in Bad Reichenhall. Die beiden sind sehr zufrieden mit der trägerübergreifenden Kooperation zwischen Projekteverein (für die Tagesstätte) und Caritas.


Leiterin des Café der Begegnung innerhalb der Fachambulanz für Suchtkranke der Caritas in Bad Reichenhall, Julia Schmied

Gibt dem Café der Begegnung der Caritas in Bad Reichenhall ein Gesicht: Sozialpädagogin Julia Schmied. − Foto: Julian Traublinger


Die beiden Anlaufstellen fangen Menschen auf, die sonst nirgends hinkönnen. Haberl beschreibt: „Viele hatten schon Therapien, aber gerade Jüngere sollen wieder selbständig werden, aber das ist auch bei Leuten in ihren 30ern zum Teil schwierig. Wir vermitteln an Betreutes Einzelwohnen, Sozialpsychiatrischen Dienst und niedergelassene Therapeuten.“ Julia Schmied berichtet zum selben Thema: „Bei uns sollen die Leute durchaus lange bleiben, da viele von ihnen sämtliche therapeutische Möglichkeiten bereits ausgeschöpft haben. Ziel ist es, eine Verschlechterung zu verhindern, in einigen Fällen auch Gefahr für Leib und Leben und Obdachlosigkeit abzuwenden.“


Mit wunderlichen Leuten respektvoll umgehen


Reiner Haberl freut sich, wenn seine Arbeit in der Öffentlichkeit sichtbar ist. „Wir sind alle Menschen, wir unterscheiden uns nicht. Deshalb sollen psychisch Kranke ein Teil der Gesellschaft sein. Es kann jeden treffen, auch wenn viele das Glück haben, nicht überlastet zu werden, zum Beispiel durch traumatische Erfahrungen. Da wäre ein soziales Netz gut, präventiv, aber auch, um stabil zu bleiben und nicht in eine Krise zu geraten. Da kann jeder einzelne was tun. Zum Beispiel nicht gleich die Freundschaft kündigen und mit wunderlichen Leuten trotzdem respektvoll umgehen. Die Tagesstätte soll das private Netz wieder stärken.“

Über das Café der Begegnung hatte die Heimatzeitung im Januar diesen Jahres mit dem Thema Substitutionstherapie berichtet. Es ist offen für jedermann und wurde im Zentrum von Bad Reichenhall schon sehr gut angenommen.


Die Tagesstätte Gelbes Haus an der Anton-Winkler-Straße 3a, ✆08651/8138, ist Montag bis Freitag von 9 bis 16.30 Uhr geöffnet, das Café Harlekin von 10 bis 15 Uhr. Das Café der Begegnung, an der Bahnhofstraße 21, ✆08651/762050, ist Montag, Dienstag, Donnerstag, von 9 bis 15.30 Uhr offen und Mittwoch von 9 bis 13.30 Uhr.

Fotos: Julian Traublinger