Elisabeth Neumeier und Sina Messinger (von links), Foto: Tina Fleckinger

„Corona stand nicht im Finanzplan“

Start ausgerechnet zur Pandemie: Wie zwei Firmengründerinnen die Herausforderung meistern

Reichenhaller Tagblatt / Freilassinger Anzeiger, 03.09.2020

Büro Free Place in der ehemaligen Stofftruhe
Das Bürolokal von Free Place in der ehemaligen Stofftruhe ruht im Dornröschenschlaf, doch drinnen wird emsig gearbeitet. − Foto: Julian Traublinger

Freilassing. Während aufgrund der Wirtschaftskrise Unternehmen ins Schlingern geraten, starten Sina Messinger und Elisabeth Neumeier mit Free Place*, einer Bildungseinrichtung, zum neuen Schuljahr erst richtig durch. Als gleichberechtigte Gesellschafterinnen gründeten sie die GbR im Februar in Freilassing. Mit „Hirngespinsten“ fing es vor drei Jahren an. Sina hatte damals schon ein Kleingewerbe im Bereich Nachhilfe und Kinder- und Jugendcoaching. Die Umsetzung der Idee begann ab März 2019. Ausgerechnet jetzt, zur Coronakrise, wollten sie starten. Die Heimatzeitung hat nachgefragt, wie es ihnen als Jungunternehmerinnen geht.

Noch sind die Fenster eures Büros an der Freilassinger Hauptstraße verhüllt. Konntet ihr noch nicht öffnen?
Elisabeth Neumeier: Es geht uns dabei wie allen Unternehmern, das ist ganz normal. Ämtergänge können auch durch Corona länger dauern. Der Umbau unseres Büros ist im Gange. Wir haben Unterstützung vom Freilassinger Bürgermeister und vom Landrat bekommen. Bildungseinrichtungen für Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene liegen ihnen am Herzen, das merkt man. Sie haben sich gefreut und engagieren sich wirklich.

Elisabeth Neumeier und Sina Messinger (von links), Foto: Tina Fleckinger
Elisabeth Neumeier und Sina Messinger (von links), Foto: Tina Fleckinger

Sina Messinger: Alles hat seinen Sinn! Auch wenn wir den oft erst später sehen. Bis jetzt hatten wir Glück im Unglück und dabei immer das Beste daraus gemacht.

Würdet ihr sagen, dass ihr in Freilassing als „Startup“ eine Chance habt?
Neumeier: Im Coaching lernt man, den Fokus zu behalten, positiv zu denken und das Ziel im Auge zu behalten, um dies zu erreichen. Wir glauben fest, dass wir eine gute Chance als „Startup“ haben. Da wir zu zweit sind, können wir uns gut gegenseitig unterstützen. Wir bekommen auch von außen nur positives Feedback. Der Bedarf nach unserem Service ist da. Mit der Stadt haben wir eine gute Zusammenarbeit und können bisher nicht klagen. Bald wird es zum Beispiel einen Kurs zum Umgang mit Medien, „Medienzirkus“, an der Vhs Rupertiwinkel mit uns geben.


Parkplatz-Satzung belastet junge Unternehmer


Habt ihr jemals ans Aufgeben gedacht?
Messinger: Nein! Nach wie vor nicht. Wir sind der Überzeugung, dass es gut ist und gebraucht wird, was wir machen. Im Bildungsbereich bin ich ja schon länger tätig, nur jetzt sind wir zu zweit und größer.

Ihr hattet jetzt schon viele laufende Kosten – etwa für die ,virtuellen Parkplätze‘ obwohl Ihr quasi noch nichts verdienen konntet.
Neumeier: Bei der Summe für Parkplätze mussten wir ganz schön schlucken. Das war nicht annähernd eingeplant und hat uns im ersten Moment ein bisschen verwundert. Es hat sich dann zum Glück herausgestellt, dass die Kosten dafür erst einmal wegfallen, da wir genügend Platz im Hof haben. Wenn der nicht reichen sollte, können wir eigene Parkplätze in der Nähe anmieten. Während der Beschränkungen durch Corona haben wir das Coaching nur online durchgeführt. Ich habe früher auch schon Homeoffice gemacht, deshalb hatte ich im Bereich Marketing keine Umgewöhnungsphase.

Messinger: Wir haben auch an unserer kommenden Homepage gebastelt, die ist ab dem heutigen Donnerstag online. In den Sommerferien hatte keiner mehr Lust auf Schule, was ich irgendwie verstehen kann. Aber im neuen Schuljahr werden wir wieder arbeiten und zaubern. Wir werden viel online anbieten und auch eine Fast-Help-Hotline für eine schnelle Hilfe bei Hausaufgaben oder beim Lernen haben.

Wer hat euch bisher unterstützt und was würdet ihr euch noch wünschen?
Messinger: Bisher haben wir viel Unterstützung von Familie und Freunden bekommen. Sie halfen mit Kontakten und Wissen. Und die Aktivsenioren waren eine große Unterstützung. Die Stadt Freilassing und das Landratsamt haben uns geholfen. Der Freund von Liz hat uns anfangs die neue Homepage gezaubert mit seinem Team. Es waren so viele Gespräche und Leute, die Tipps gegeben haben. Auch der KJR und das Kreativnest [Anm.: mittlerweile Kreativgeist] gehören dazu. Aber nicht zu vergessen sind unsere Vermieter, die haben uns gerade während des Lockdowns und in der Zeit danach gut unterstützt. Corona war im Budget nicht eingeplant, das entsprechende Kästchen war im Finanzplan noch nicht vorgesehen (lacht).

Neumeier: Wir können uns sicher vorstellen, Unterstützung von den Stadtratsreferenten zu bekommen. Mit Susanne Aigner aus dem Stadtrat habe ich früher schon über Startklar zusammengearbeitet. Auch Kooperationen mit Partnern der sozialen Arbeit und zum Beispiel mit dem Wifo wären wünschenswert. Bisher haben wir Startklar, das Kontakt, den KJR, verschiedene Schulen, das Kreativnest, die Caritas-Flüchtlingsarbeit, Schreibwaren Krittian und andere als Partner. Es wäre schön, wenn es mehr wird. Aber das geht erst, wenn wir hoffentlich bald auch Präsenz zeigen können.

Das Interview führte Julian Traublinger. Free Place ist erreichbar unter www.free-place.de und 01573 4437383.

*FREE PLACE
03.09.2020

Freilassing. Free Place hilft Kindern und Jugendlichen bei Schul- und Alltagsproblemen, bietet für Erwachsene ein breites Repertoire an Unterstützung und kann Firmen und Unternehmen grafische Arbeiten anbieten.

Sina Messinger (33) stammt aus Hessen und studierte Lehramt für Gymnasien. Sie musste dabei immer schon ihr Studium selbst finanzieren und begann damit, Nachhilfestunden zu geben. Sie erkannte, dass sie Kindern mit einem Coaching außerhalb der Schule viel besser helfen kann. Dabei geht es zum Beispiel um Lernhilfe, Beseitigen von Prüfungsangst und das Lösen von Blockaden. 2016 schloss sie hierzu ihre Ausbildung im Kinder- und Jugendcoaching ab und besuchte viele Weiterbildungen.

Elisabeth Neumeier (genannt Liz, 26) ist eine ausgebildete Mediengestalterin und bringt über acht Jahre Erfahrung in ihrem Beruf mit. Sie engagiert sich zudem seit 2008 ehrenamtlich als Mitarbeiterin des Kreisjugendrings BGL in der kommunalen Jugendarbeit im Landkreis und leitet seit einigen Jahren das Ferienlager am Abtsdorfer See. − jt